30 days of Blogging. Tag 11. Lebe deinen Traum?

via flickr, Nicole Pierce

Vorgestern traf ich auf dem Weg zur Arbeit zufällig eine Freundin von mir. Wir kennen uns seit dem Lateinunterricht am Gymnasium, gingen lange Zeit in dieselbe Klasse und wohnen jetzt in derselben Stadt. Wir unterhielten uns ein bisschen über die Arbeit und bei ihr schwang eine gewisse Unzufriedenheit mit. Auftragslage zwar gut, aber schlecht bezahlt, wenig Aufträge, wo man wirklich kreativ und anspruchsvoll arbeiten kann, zu viel nerviger Kleinkram.

Man müsste meinen, dass bei ihr alles super läuft, denn sie macht das, was viele Millennials und Gen Y-ler sich wünschen: Sie lebt ihren Traum. Sie ist Musikerin. Sie geht ihrer Leidenschaft nach.

Eine Zeitlang dachte ich, dass ich das auch wollte - frei(beruflich) sein, nur meiner Leidenschaft nachgehen, niemandes Lakai sein. Eben meinen Träumen folgen. Bis ich feststellte: Ich habe keine Träume. Und frei sein macht nicht glücklich, wenn es auch "frei von Geld" bedeutet. Geld spielt im Leben eine gewisse Rolle und man tut gut daran, ausreichend davon zu haben.

Klingt hart, nicht wahr? Das, was ich über die Hängematte schrieb, war nur halb ironisch. Die andere Hälfte ist bitterer Ernst. Für mich gibt es keinen Masterplan, keine Blaupause, nach der ich mein Leben ausrichte. I'm a drifter, baby.

Ich mag Musik, ich mag kreativ sein, ich mag Bücher und schreiben. Aber ich habe keine feste Idee davon, was ich wirklich-wirklich machen möchte. Manche sagen sich: "ich will mal einen Ferrari fahren" oder "ich möchte mit 50 aufhören zu arbeiten" oder "ich möchte ein Unternehmen gründen". All diese Ambitionen und Zielsetzungen sind nicht meins. Man sagt unserer Generation nach, dass das genau ihr Problem ist: Riesige Erwartungen, aber nicht das Sitzfleisch, die Arbeit dafür reinzustecken.

Es gibt für mich nicht die eine Leidenschaft, die ich unerbittlich verfolge, gegen alle Widerstände. So geht es auch meinen Geschwistern. Wir stolpern so durchs Leben, machen dies und das, aber haben keine Master-Vision unseres Lebens. Irgendwann haben wir etwas gefunden, das wir einigermaßen gerne machen.

Seine Träume verfolgen, alles auf eine Karte setzen, hat seinen Preis. Siehe meine Freundin. Es kostet etwas, sich nur auf eine Sache zu konzentrieren. Denn ob man MusikerIn, UnternehmerIn, SchriftstellerIn oder ähnliches wird: Die Wahrscheinlichkeit ist riesig, nicht zu den Rockstars, Milliardären oder NobelpreisträgerInnen zu gehören. Das ist OK, nur wenn du wirklich dieses Ziel verfolgst, kann das ganze Leben zu einer einzigen Enttäuschung werden.

Gestern Abend fragte Schwesterherz mich: Nehmen wir an, du hättest mit dem Theaterspielen weitergemacht - hättest du das bis ins Studium weiterverfolgt? Ich hatte in recht jungen Jahren Theater gespielt, durfte sogar umfangreiche Sprechrollen spielen. Darauf sagte ich. Ja, vielleicht. Aber ich habe es gemacht, weil es die Gelegenheit gab und ich es ausprobieren wollte.

Und das ist die Tugend in meiner Ziellosigkeit: Weil ich nicht festgelegt bin, kann und darf ich viel ausprobieren (ich gebe zu, dass ich mich nach wie vor in einem bestimmten Spektrum von Aktivitäten bewege). Wer ein Ziel verfolgt, erforscht es in die tiefsten Tiefen und höchsten Höhen. Ich bin, wie vermutlich viele, Generalistin. Wenn ich will, probiere ich nähen aus, versuche mich an der Ukulele, mache ein bisschen Yoga, gehe Lindy Hop-tanzen, schreibe auf meinem Blog, backe Kuchen oder repariere Fahrräder.

Und wenn ich ganz außergewöhnlich sein will, liege ich in der Hängematte.

Dieser Blogeintrag wurde stark inspiriert von folgendem Video - sehenswert fĂĽr alle, die ĂĽberlegen, ihren Traum von irgendwas zu verwirklichen:

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2 Kommentar/e:

  1. Mit den Träumen ist das so eine Sache. Viele zerschlagen sich recht schnell, und dann muss man auch trotzdem noch überleben und ein anständiges Leben führen. (Wenn man - und da rede ich von mir selbst - nur ein paar kleine und kein wirklich großes Talent hat, dann wurschtelt man sich halt so durch und setzt aus den Kleinigkeiten ein Leben zusammen.)

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    1. Die Durchschnittlichkeit hat auch ihre Tugend, habe ich festgestellt. Es ist völlig ok, zu den "Normalen" zu gehören. Wichtig ist, ob man einigermaßen glücklich sein kann. Ob wir dabei berühmt oder großartig sind, ist dann auch schon egal. Am Ende sind wir eh alle gleich tot :D

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