Asiaten und klassische Musik

Leser, die meinen Blog schon länger kennen, haben sicherlich auch meine Rants gelesen, dass Asiaten in der Öffentlichkeit absolut unterrepräsentiert sind. "Wir" finden praktisch nicht statt.

Endlich habe ich ein Gebiet gefunden, in denen Asiaten recht stark vertreten sind...

Klassik.




So richtig fiel es mir vor drei Wochen auf, als ich auf Einladung einer guten Freundin eine Orgelmatinée besuchte, wo sie spielte (einen hervorragenden Messiaen übrigens). Mit von der Partie waren gleich zwei Orgelstudentinnen aus Südkorea.

Die Freundin bestätigte meinen Verdacht: In der klassischen Musikausbildung in Deutschland findet man unheimlich viele asiatische Studenten: "Vor einigen Jahren gab es eine japanische Welle und im Moment läuft die koreanische Welle." Gerade Klavier- und Violinklassen bestehen auch gerne mal zu 50% aus Asiaten.

Warum ist klassische Musik in Asien so beliebt und angesehen?
Über die Gründe, woher das Faible der Japaner, Koreaner und auch Chinesen für die klassische Musik kommt, konnte meine Freundin nur spekulieren. Möglicherweise hänge das mit dem hohen Status der klassischen Musik als kulturelle Errungenschaft des Westens zusammen.

Im Magazin der Süddeutschen Zeitung war vor kurzem ein Reisebericht über die Asientournee der Berliner Philharmoniker zu lesen. Er wurde untertitelt mit:
Das beste Orchester der Welt trifft das leidenschaftlichste Publikum der Welt.
Japaner, Koreaner und Chinesen lieben also klassische Musik. Folgende Schilderung einer Szene in einem Hotel in Peking illustriert dies ganz besonders:
"Mit Ehrfurcht begegnen [die Putzfrauen] diesen Menschen, die das machen können, was in der Vorstellung vieler Chinesen Ausdruck westlichen Lebensstils ist: klassische Musik. In Asien ist jedes einzelne Orchestermitglied ein Star [...]."
Ist es das? Klassische Musik als Symbol westlichen Lifestyles? Dann wäre Klassik vor allem ein Statussymbol - Klassik ist, wenn man es im Leben geschafft hat. Wenn man endlich in die Mittelschicht aufgestiegen ist. Dann wäre Klassik genauso ein Schichtenphänomen wie in Europa auch, Stichwort Bildungsbürgertum.
"Mahlers 9. Symphonie spielen sie im Kulturzentrum von Seoul. Nach dem Konzert fällt einem ein Mann auf, der wie abwesend durch die Halle läuft, sodass man kaum wagt, ihn anzusprechen, schon gar nicht mit einer Frage, die einem banal erscheint angesichts der Entrücktheit, die sich auf seinem Gesicht ausgebreitet hat."
Der oben erwähnte Mann ist übrigens Arzt. Eine Karte für das Konzert in Peking kostet 400 Euro, teilweise 500. Klassik muss man sich leisten können.




Klassik ist natürlich auch faszinierend. Wir könnten sagen, dass die universale Sprache der Musik in jedem etwas zum Klingen bringen kann - natürlich auch in Menschen aus Asien. Und möglicherweise wirkt das Fremde, das Andere daran anziehend. Persönlich kann ich das nur bedingt nachvollziehen, da Mozart, Bach und die dahinterstehende Kultur mir nie fremd waren.

Als Banane habe ich, wie viele Deutsche auch, ein Nicht-Verhältnis dazu. Diese Musik war immer da, wie der Hausaltar im Wohnzimmer meiner Eltern. Großartig, sicherlich, aber für mich nichts Besonderes. Ein Außenstehender sieht den Altar mit ganz anderen Augen.

Vielleicht ist das mit klassischer Musik genauso. 

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CONVERSATION

2 Kommentar/e:

  1. Ich habe mich auch schon öfter gefragt, wie es dazu kommt, dass so viele Asiaten in der klassischen Musik vertreten sind. Deine Gedanken sind interessant, kann schon gut sein, dass es sich um ein Statussymbol handelt.

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    1. Dir ist es also auch aufgefallen :) Ich habe auch den leisen Verdacht, dass klassische Musik sich hervorragend eignet, um Kinder zu drillen ( Stichwort Tigermutter). Da klassische Musik viel mit Präzision und "richtig-spielen" zu tun hat, lässt sich auch viel genauer messen, ob man darin sehr gut ist oder nicht.

      In Jazz oder gar Pop geht das nicht. (Asiatische Jazz-Musiker sind eine höchst seltene Spezies.)

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