Liebe für Neukölln - Alltagsrassismus für AsiatInnen: Der Heimathafen.

Check Your Privilege. Graphische Spielereien.

Der Heimathafen, ein seit 2009 in Berlin-Neukölln ansässiges Volkstheater, veranstaltet seit Januar eine Ausstellung namens "We love Neukölln" aus, die die Liebe zum eigenen Kiez ausdrücken. Die Aktion war so ausgerichtet, dass Menschen sich ein T-Shirt aus dem Shop des Heimathafens überzieht und sich damit irgendwo auf der Welt ablichten lässt. Die Fotos wurden dann ausgestellt. Entgangen ist den MacherInnen dabei allerdings, dass sich unter die Kiezverbundenheit auch ein guter Schuss Alltagsrassismus gemischt hatte: Auf einem der Bilder war eine blonde weiße Frau abgebildet, die sich "Schlitzaugen" zieht. Ein Bild gibt es hier (Trigger Warnung).

Seit Suki O. das Bild entdeckte, haben sie und einige andere asiatische Deutsche in E-Mails die Geschäftsleiterin Stefanie Aehnelt darum gebeten, dass das fragliche Bild entfernt wird, weil es asiatische Menschen verunglimpft. In der Antwort-Mail vom 29. Januar, die mir vorliegt, entschuldigt Aehnelt diese Form des Alltagsrassismus mit Beschwichtigungen und Rechtfertigungen. Im Wortlaut schreibt sie:
Ja, wir sind Volkstheater. Wenn Sie sich mit unserem Programm
auseinandersetzen, was Sie vermutlich getan haben, wenn Sie uns als
Spielstätte in Betracht ziehen, werden Sie merken, dass wir das durchaus
ernst meinen. Wir legen Wert auf inhaltlichen Idealismus und wollen uns
nicht an oberflächlicher political correctness oder Dogmen aufhalten.
Wir begegnen allen Kulturen mit Respekt und Humor - einschließlich
unserer eigenen. Das ist Volkstheater im besten Sinne. Und das ist
Neukölln.
Gegen den alltäglichen Rassismus anzugehen setzt sie herab als "political correctness" und Oberflächlichkeit. "Inhaltlicher Idealismus" ist schön, vor allem dann, wenn man sich nicht die Finger schmutzig machen möchte damit, den eigenen Dreck am Stecken zu erkunden.

Erst nach vermehrter Intervention von zahlreichen weiteren Betroffenen wurde das fragliche Foto schließlich am Dienstag aus der Galerie entfernt. Die von vielen geforderte öffentliche Stellungnahme des Heimathafens ist bisher ausgeblieben. In einer Mail schrieb Stefanie Aehnelt folgende Replik an die Beschwerdeführenden:
Wir glauben fest an die Kraft der Menschlichkeit und der Begegnung -
über die Grenzen von Sprache und Herkunft hinweg. 
Der Heimathafen Neukölln beschäftigt sich seit Jahren unter anderem
mit den Themen Migration und Heimat, wir machen Stücke über junge
Menschen mit arabischen Wurzeln, wir arbeiten mit Autoren und Künstlern
aus Syrien und Marokko zusammen und wir zeigen mit der Bühne für
Menschenrechte seit über einem Jahr erfolgreich die Asyl-Monologe.
Auf unserer Bühne standen schon hessisch sprechende Iraker und
Österreicher, die die Hosen runterlassen mussten. 
Falls wir mit dem betreffenden Foto Gefühle verletzt haben, tut uns
dies leid und wir entschuldigen uns dafür. Es war Teil einer
Fotocollage mit ca. 40 Fotos von Neuköllnern, die sich in aller Welt im
„I love NK" -T-Shirt haben fotografieren lassen und diese an uns
geschickt haben. Es wurde bereits entfernt.

Es ist eine typische Mail, die PR-Profis formulieren, um als Krisenkommunikation schnell die Wogen zu glätten. Sie illustriert, dass der Heimathafen Neukölln sein soziales Engagement für Menschen mit Migrationshintergrund als eine Art Erlaubnis nutzt, um in anderen Zusammenhängen rassistische Stereotype wiederholen zu dürfen. Der "Ich-bin-eine-Stunde-gelaufen-also-darf-ich-mir-jetzt-Sahnetorte-genehmigen"-Effekt.

Man ist nicht automatisch vor rassistischen Denkstrukturen geschützt. Ähnlich wie mit Didi Hallervoorden in seiner "Ich bin nicht Rappaport"-Aufführung (über die ich seinerzeit berichtet habe) hat sie sich nicht ausreichend damit beschäftigt, was Rassismus alles bedeutet. Das ist nicht nur Steine und Brandsätze auf Asylbewerberwohnheime zu werfen oder PoC auf offener Straße zusammenzuschlagen. Sondern auch beleidigende Gesten. Es geht nicht um Humor oder Humorlosigkeit, sondern um Sensibilisierung für implizite Privilegienstrukturen.

Derzeit ist von Autor Kien Nghi Ha ein offener Brief in Arbeit, der auch von anderen asiatisch-deutschen Organisationen mitgezeichnet werden soll. Danger! Bananas steht hinter dieser Aktion und ich werde euch auf dem Laufenden halten.

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