Asiatische Begegnungen in Hamburg

Wusstet ihr, dass Google Plus auch Bilderfilter hat?

Einige, die Blogf verfolgen, haben es vielleicht schon gelesen: Diese Woche war ich im Rahmen der Social Media Week in Hamburg unterwegs. Neben Visitenkärtchen verteilen und verschiedene Blogartikel schreiben habe ich natürlich auch viele Leute getroffen. Teilweise war es Zufall, teilweise war es geplant, dass sehr viele AsiatInnen darunter waren (mal von Japan abgesehen). Und weil ich finde, dass sich Hamburgs wahre Schönheit  in seinen Menschen zeigt, deshalb eine Stadtführung zu Leuten.

Große Freiheit - Ko

"Hey, ich überlege, einen Blog zu machen. Hast du schon mal schlechte Erfahrungen mit den Impressumsangaben gemacht? Viele Grüße aus Hamburg" Diese Mail erreichte mich vor etwas mehr als einer Woche. Ich schrieb zurück: "Nein, alles easy. Ach ja, bin demnächst in Hamburg. Wollen wir uns treffen?"
So endeten Ko und ich in einem türkischen Imbiss in der Nähe der Großen Freiheit. Sie ist Juristin und arbeitet auch als Hilfswissenschaftlerin (daran meine ich mich zu erinnern). Während wir aßen und Ayran schlürften, erzählten wir uns unser Leben. Kos Eltern haben immer zeitweise in Deutschland und Japan gearbeitet, sodass sie in beiden Ländern zuhause ist. Seit Fukushima war sie aber nicht mehr dort. Blöd fand sie wohl nur den samstäglichen japanischen Unterricht. Mehr Lernstoff, weniger Freizeit. Verständlich. Im Rückblick betrachtet hätte ich aber gerne Vietnamesisch-Unterricht gehabt.

Wir sprachen über Popkultur - über Filme von Bent Hamer und Aki Kaurismäki sowie süchtig machende koreanische Serien. Beide waren wir uns einig, dass in koreanischen Serien mehr passiert und sie sich nicht scheuen, auch explizitere Szenen zu zeigen (Küssen und Sex), was bei japanischen Dramaserien nie vorkommt. Beim Thema Film kamen wir auch auf Filme von Hayao Miyazaki und stellten fest, dass sie auch westliches Publikum hervorragend ansprechen. Vielleicht liegt das an dem Setting - viele Kulissen sehen aus wie in Europa, etwa in meinem Lieblingsfilm von Ghibli, "Howl's Moving Castle". Ko vermutete, dass JapanerInnen das mögen, weil es für sie fremd und exotisch wirkt. Sie favorisiert im übrigen "Kiki's Delivery Service". Die Geschichte einer Hexe, die ihr Leben in die eigenen Hände nimmt, um sich etwas Eigenes aufzubauen. Das, was wir lieben, erzählt viel von dem, wer wir sind.

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Hamburg-Horn - Dang

Wer ein echter Digitalmensch ist, organisiert sich seine Kontakte online. Weil ich auch an meinem zweiten Abend nicht allein essen wollte, meldete ich mich auf Cookasa.de für ein Kochevent an. Kurz gesagt verabreden sich dabei Menschen online zum Kochen und gemeinsamen Essen (und Abwaschen) bei jemandem zuhause. Wer teilnimmt, ist geheim und wird erst einen Tag vorher enthüllt.

Selbstverständlich waren wir alle in irgendeiner Form in der Medienbranche tätig und essen gerne. Das zusätzliche asiatische Gesicht hatte ich schnell identifiziert. Ein paar Augenblicke lang herrschte peinliche Stille - sollte man jemanden nur wegen seines/ihres Asiatisch-Seins ansprechen? Als AsiatIn?
Nach einer Weile fasste ich mir ein Herz: "Darf ich dir eine 'offensive question' stellen?" - "Schieß los." - "Was ist denn dein Background?" - Er lachte: "Der ist wie bei dir. Mein Vater ist Vietnamese." Meinen Background hatte er schnell erkannt: Mein Name ist eindeutig vietnamesisch und die anderen hatten mir die "offensive question" bereits nach fünf Minuten im Wohnungsflur gestellt.



Wie schwierig es  selbst unter Vietnamesisch-Deutschen ist, sich zu verbünden, merkte ich im Gespräch mit Dang. Während meine Eltern in den Achtzigern als Boatpeople nach Deutschland kamen, war sein Vater Teil der vietnamesischen (Bildungs-)Elite und kam in den Siebzigern zum Studieren hierher. Deshalb hatte seine Familie auch kein Problem, bereits 1984 wieder das erste Mal nach Vietnam zu reisen, und fuhr seitdem regelmäßig zurück. Meine Eltern hingegen schworen sich, nach unserem bisher ersten und einzigen Trip 1998 erst wieder ins alte Heimatland zu fahren, wenn das System sich geändert hatte.

Überhaupt, das System. Auch in der zweiten Generation besteht die Mauer zwischen demokratisch-kapitalistisch und sozialistisch in vielen Köpfen weiter. Meine Eltern vermieden Kontakt zu ehemaligen DDR-GastarbeiterInnen, weil die "systemverseucht" seien. Dang war ziemlich genervt davon, dass vietnamesische Boatpeople, ehemalige VertragsarbeiterInnen und alle dazwischen sich nicht vertragen konnten. Sicher, nach wie vor ist Vietnam ein Ein-Parteien-Land und es gibt keine freie Religionsausübung oder Meinungsäußerung, aber dennoch gab es doch auch gute Sachen. In Vietnam ist nicht alles scheiße. Und wir sind hier in Deutschland.

Es war befreiend, sich mit jemandem auszutauschen, der die Konflikte kannte und Bescheid wusste. Reden hilft. Dabei gut zu essen mit netten Leuten auch.


Hauptbahnhof - Jin-Jin

Meine Unterkunft hatte ich über Airbnb organisiert und war in einer WG von vier Studierenden gelandet, in der aber selten jemand da war. Bis auf Freitagvormittag: Da saß plötzlich eine Asiatin in der WG-Küche. Wie sich herausstellte, war sie eine der WG-BewohnerInnen. Wir unterhielten uns nur kurz - ein wenig Smalltalk zwischen Tür und Angel. Ihr gefiel es in der WG ganz gut und sie macht derzeit ein Praktikum. Mehr habe ich über sie nicht erfahren und ich hatte auch keine Gelegenheit "offensive questions" zu stellen.



St. Petrikirche - Rie

Auf dieses Treffen hatte ich mich am meisten gefreut. Rie ist eine alte Bekannte und Freundin von Schwesterherz: Sie hatte mit ihr in Erlangen und Kyoto studiert und ich kannte sie ebenfalls von meinen Japan-Besuchen. Rie hatte sich entschieden, in Deutschland ein Praktikum im Bereich Gemälderestauration zu absolvieren, um dann selbiges zu studieren. So hatte es sie im August nach Hamburg verschlagen. 

Ihr Praktikum macht sie im Museum für Völkerkunde. Sie brachte ihren Job prägnant auf den Punkt: "Ich bin Putzfrau für Kunst". Deshalb ist auch eines ihrer wichtigsten Arbeitswerkzeuge ein kleiner Handstaubsauger. Aber nicht, um Staub zu entfernen (das bestimmt auch), sondern Würmer, Ungeziefer und andere Schädlinge zu eliminieren. Ich habe sie als sehr kreativ und künstlerisch veranlagt gesehen und sie gefragt, warum sie eigentlich nicht freie Künstlerin werden wollte (vor allem, nachdem ich ihre Studien für ihre Bewerbungsmappe gesehen hatte). Ihr Antwort war: "Mich interessiert das, was hinter dem Bild steckt, woraus die Schichten eines Gemäldes bestehen, aus welchem Material es gemacht wurde." Sie ist also ein Kunst-Nerd.

Da sie viel arbeitet, hatte sie selbst noch kaum Zeit, sich die Kirchen in Hamburg anzusehen. Also gingen wir zunächst in die St. Petrikirche, wo uns am Eingang vom Hamburger Hofbräuhaus (das gibt es) zu Promozwecken eine Brezn in die Hand gedrückt wurde. Sie war gut, wenn auch eher schwäbisch als bayerisch (lies: weich). Während ich ihr die christlichen Bildermotive wie die Jakobsleiter und die Passionsgeschichte erläuterte, erklärte sie mir vieles zum Hintergrund der Bilder - wortwörtlich.

Nachdunkelung: Wie Sie sehen, sehen Sie fast nichts.

Wir standen vor diesem riesigen Gemälde, das nach niederländischem Barock aussah und das Abendmahl zeigte. Das Bild war so dunkel, dass wir fast nichts erkennen konnten. Grund: der Firnis, also der Schutzüberzug, war über die Jahrhunderte nachgedunkelt. Solche nachgedunkelten Bilder kann man wieder aufhellen, indem man sie reinigt. Um den richtigen Reiniger zu finden, muss man erst einmal an einer nicht-sichtbaren Stelle (etwa unterm Rahmen) testen, ob das Lösemittel passt. Manchmal ist dafür sogar Seifenlauge oder einfaches Wasser ausreichend.

"Siehst du diese dicke Naht in der Mitte? Das bedeutet, dass die Leinwand schon einmal gerissen ist und bei einer Restauration wieder geflickt wurde." Tatsächlich zog sich eine Art Narbe über das ganze Bild, die ich vorher nicht beachtet hatte. Auch andere Bilder in der Kirche hatten Nähte, die aber wesentlich feiner waren: "Früher hat man auch Leinwände zusammengenäht, wenn es kein Stück in genau diesem Format gegeben hat", erklärt mir Rie. Das Bild wies auch feine Risse auf, in der Fachsprache Craquelé genannt. Diese werden nicht mehr repariert bzw. sind schwer zu beheben. Je nachdem, ob die Risse erhaben sind oder sich nach innen vertiefen, muss man anders vorgehen. Um das überhaupt zu erkennen, arbeiten RestauratorInnen deshalb mit sogenanntem Schlaglicht von der Seite.




Komme gerne wieder, Hamburg.

Es war eine sehr schöne Reise mit interessanten Begegnungen. Die Ereignisse hier sind nur ein kleiner Ausschnitt. Viele sind unerwähnt geblieben, aber doch im Gedächtnis gespeichert.
Danke an die Social Media Week in Hamburg (vor allem Inken, Susanne und John), an die Deutsche Bahn (die mein Zugticket bereitgestellt hat) und BlogF (Sylvia und Marlies).

Bis zum nächsten Mal, Hamburg.

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