Warum ich keinen weißen Ritter in schimmernder Rüstung brauche

In Kürze: Das junge Format von Zeit Online, Ze.TT, hat einen Artikel veröffentlicht, in dem ein Bio-Deutscher über asiatische Klischees und Alltagsrassismus gegen AsiatInnen berichtet. Ich finde das nicht in Ordnung, weil man auch direkt die Betroffenen zu Wort hätte kommen lassen können.



Heldengeschichten gehen immer gleich: Meistens zieht ein meist junger Typ aus in die Welt und rettet die Herzensdame, sein Universum und wird ein Stück weiser. Das passiert in Science Fiction, in Fantasy, in hoher und niederer Literatur, in Webcomics und im TV. Der weiße Ritter in schimmernder Rüstung kommt angeritten, rettet ganz heteronormativ die Dame und darf sich moralisch überlegen fühlen, während die Dame ihn anhimmelt und die übrigen Herren anerkennend nicken.

So oder so ähnlich muss man sich meinen Gedankengang vorstellen, als ich diesen Artikel von Ze.TT in meiner Timeline sah. Da schwingt sich der Autor zum Ehrenretter aller asiatischstämmigen Menschen auf, weil seine Freundin vietnamesisch-deutsch ist. Er, der wortwörtliche weiße Ritter, eilt herbei, um den Bio-Deutschen zu sagen, dass Asiatinnen keine Sexpuppen sind und Asiaten keine effeminierten Nerds.

Sehr schön ist natürlich die Überschrift, die schön die latent vorhandenen Rassismen von hypersexualisierten, willigen Asiatinnen und schwachen Asiaten überhaupt erst unters biodeutsche Volk bringt. Aber die sind ohnehin so verbreitet, dass sogar asiatische Frauen glauben, asiatische Männer wären aufgrund der Anatomie nicht interessant als Sexpartner. Was nicht stimmt, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Mal abgesehen davon, dass diese Penisfixierung ungesund und ein falsches Bild von erfüllender (haha) Sexualität gibt.

Versteht mich nicht falsch: MitstreiterInnen zu haben, die sich für andere Erfahrungen öffnen und mit einem Missstände angehen sind eine gute Sache. Mir geht es aber gegen den Strich, wenn wieder mal nur über die Betroffenen gesprochen wird, sie aber nicht selbst sprechen (dürfen). Und nein, mir reicht es nicht, dass Kien Nghi Ha zitiert wird.

Gerade wenn ein persönlicherer Blickwinkel gewählt wird, es sich um einen subjektiven Bericht handelt und nicht um einen journalistischen Report, sollte man doch jemanden anfragen, der Erfahrung aus erster Hand hat. Anstatt auf einen Bio-Deutschen zurückzugreifen, der sich auf die Schulter klopfen darf, wie offen und aufgeschlossen (im Afroamerikanischen nennt man das "woke") ist, will ich dazu etwas sagen. Ich brauche keinen weißen Ritter in schimmernder Rüstung, der kann hingehen, wo er hingehört: ins Reich der Mythen und Epen.

You tell 'em, Margaret.

Ich mein: DUDE, I'M RIGHT HERE! Eine Asiatisch-Deutsche mit einer starken Meinung, selbstbestimmt und frei, die sich seit Jahren (!!) mit dem Thema beschäftigt und nicht auf die asiatischstämmige Freundin zu verweisen braucht, um als legitim zu gelten. Ich muss mir den Schuh nicht erst anziehen, weil die Haut, in der ich lebe, unverkennbar asiatisch ist. Ich will für mich selbst sprechen und brauche bei Gott keinen weißen Ritter gegen Rassismus, der sich meiner erbarmt, weil ich den Mund nicht aufbekomme.

Zumal der Herr übersieht, dass man nicht als attraktiv gesehen wird, nur weil man Asiatin ist. Wer nicht auch noch dünn, klein und lieb ist, landet schnell auf dem Abstellgleis. Mal abgesehen davon, dass es neben denen mit AsiatInnen-Fetisch auch ganz klar Leute gibt, die sagen "auf AsiatInnen steh ich nicht". Diesen Zwiespalt, den Verlust von Selbstwertgefühl, kann ein weißer Ritter nicht nachvollziehen. Und auf Mitleidsalmosen kann ich verzichten.

Ihr merkt, ich bin frustriert - wofür mache ich diesen ganzen Mist, wenn doch nur ein weißer Typ darüber berichten darf, wie man über "uns" denkt, wenn es genügend Betroffene gibt, die gerne lang und breit darüber erzählen möchten oder es bereits tun? Ich melde mich freiwillig.


Aber ich vergaß: Es kann erst wahr sein, wenn ein weißer, heterosexueller Mann es gesagt hat und ihm ganz viele weiße, vornehmlich heterosexuelle Männer zustimmen. Meine Meinung wurde ja schon diskreditiert, als ich mit den falschen Weichteilen zwischen den Beinen geboren wurde.

Nochmal: Ich melde mich freiwillig. Habe es früher getan, werde es weiterhin tun. Damit eine extrem genervte, durchschnittlich große, besser gepolsterte Asiatin da draußen steht.

Richtigstellung: Der Autor Florian Prokop, hat mir mitgeteilt, dass er nicht heterosexuell ist. Ich habe das im Text angepasst.

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7 Kommentar/e:

  1. danke! ich meld mich auch freiwillig! fellow extrem genervte, durchschnittlich große, besser gepolsterte Deutsch-Asiatin

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  2. Ich verstehe deinen Ärger zum Teil, deine regelrechte Wut, die im Beitrag zum Ausdruck kommt, allerdings nicht ganz. Es kommen ja, mehr oder weniger indirekt, drei Personen zu Wort: Mai, Christian und Kien. Das ist schon mehr, als man leider heutzutage bei so manchen journalistischen Texten an Gesprächspartnern und Ansichten hat. Dass Florian Prokop wiederum kein Asiate ist, kann man ihm ja nicht vorwerfen. Ich glaube sogar, dass es falsch wäre, wenn nur und ausschließlich Betroffene zu Wort kommen und sich Gedanken machen. Es sollen bitte gerne mal auch jene in sich gehen, die selbst nicht betroffen sind.

    Ich glaube eher, die Frustration mit dem Artikel stellt sich deswegen ein, weil der Artikel bei genauerem Hinsehen recht oberflächlich ist. Er rezitiert erst einmal ausgiebig alle Klischees, fügt dann noch ein paar anekdotische Beispiele hinzu, referiert anschließend zur Geschichte der Vietnamesen in Deutschland (warum an dieser Stelle eigentlich nur die Vietnamesen?) und pinselt danach kurz noch ein paar Gedanken zu fehlenden männlichen asiatischen Rollen in Hollywoodfilmen (mit offen gesagt etwas seltsamen Beispielen - die Geschichte von Last Samurai, man mag sie mögen oder nicht, handelt ja gerade davon, dass ein Amerikaner in eine fremde Kultur gespült wird - warum genau sollte diese Rolle von einem asiatisch aussehenden Schauspieler besetzt werden?).

    Ein einziger Absatz ist dann einer Art Fazit gewidmet: Man soll sich nicht Klischees beugen (Ach was?), und außerdem gibt es ja neuerdings eine sympathische asiatische Rolle in einer Sitcom. Hurra. Oder anders gesagt: Joa. So ganz schafft es der Text nie, aus dem Pantoffeln des Anekdotischen heraus zu kommen, und mal irgendwie etwas substantiell Nachdenkenswertes zum Thema aufzuwerfen. In diesem Sinne gebe ich dir dann recht: Es wirkt etwas schal, wenn man das Gefühl hat, dass da jemand, der gerade frisch auf das Thema gestoßen ist, Ideen präsentiert, die andere bereits seit Jahren in ihren Köpfen herumtragen, mit sich und anderen diskutieren, und/oder am eigenen Leib erfahren.

    Andererseits: Journalistische Texte sollten nicht nur von Journalisten geschrieben werden, die sich seit Jahren mit einem Thema und Fachgebiet beschäftigen. Das sorgt auch für Tunnelblick und führt zu einer Deutungshoheit der (selbsternannten) Wissenschaftler. Es tut einer Diskussion auch mal gut, wenn sich Leute äußern, die noch nicht tiefgründig auf dem Thema herumgekaut haben - solange sie es mit dem Wissen und der Demut tun, dass sie logischerweise nicht ganz so viel Ahnung haben. Umgekehrt finde ich es genauso richtig, wenn Journalisten wie Khue Pham in der ZEIT zum Glück nicht als Arbeitsschwerpunkt Asien und/oder interkulturelles Leben gewählt haben - da würde man sich ja gerade wieder auf eine Klischee-Rolle festpressen lassen. Den "Weißen Ritter"-Anspruch, den du bei Prokop herausliest, sehe ich in dem Artikel eigentlich gar nicht, und ich frage mich, ob man nicht da auch schnell selbst mit Klischees arbeitet, wenn man jedem, der über das Thema schreibt, sofort einen "White Saviour"-Komplex unterstellt. Wie nah sind wir da plötzlich am umgedrehten Rassismus? Was ich in dem Text sehe, ist eher ein etwas unbedarftes "Hey, mir ist da was aufgefallen, und ich schreib da mal ein paar Gedanken zusammen"-Ansatz. Und wie gesagt: So erscheint mir auch das Ergebnis - etwas arg "zusammengeschrieben".

    Und damit sind wir dann bei einem Kern des Problems: Der Tatsache, dass das Thema Alltagsrassismus gegenüber asiatisch aussehenden Menschen letztlich so selten diskutiert wird, dass man tatsächlich jedes Mal in der Diskussion bei Null anfängt und erstmal die Grundlagen klären muss (und warum "Hey, alle Vietnamesen sind ja bekanntlich so saugut in der Schule!" selbstverständlich auch rassistisch ist). Für diese fehlende Diskussionskultur kann aber Herr Prokop nichts, insofern halte ich, wie gesagt, den Artikel an sich, für das falsche Ziel deiner Wut.

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    1. Hallo David,
      vielen Dank, dass du der Autorin erklärst was ihr eigentliches Problem mit dem Artikel ist, sie selber kann das schließlich nicht beurteilen.
      Bitte erkläre uns (uns hier als alle die es lesen) weiter die Welt, wir würden sie sonst nicht verstehen.
      Mit freundlichsten Grüßen
      Sam

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    2. Hallo Sam,
      Schön, dass du dich auserkoren fühlst die Meinung der Autorin nochmals zu verteidigen. Was sie wollte ist ja schließlich ein White Savior (oder ein anderer x-beliebiger Typ), der sie vor den bösen differenzierten Kommentaren schützt.

      MfG,
      Duc Hoang
      PS: da ich Asiate bin, muss jetzt ja jeder meine Meinung akzeptieren. Kritik von weißen Menschen nicht erlaubt. (*Ironie off*)

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  3. Super Artikel. Meine Frau ist aus Asien. Was da an Fragen gestellt werden. Die will ich hier auch nicht reproduzieren, da sie echt widerlich sind (Es geht immer um Sex und Anatomie).
    Ich habe festgestellt, dass ich in Osteuropa viel krasseres gefragt wurde als in Deutschland (Meine Erfahrungen waren in Ungarn und Estland). Ich frage mich ob man in Deutschland weniger Vorurteile hat, oder ob die Leute in Ungarn vielleicht einfach weniger Scham haben, so etwas zu fragen.

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  4. Danke Yenhan für deinen engagierten Einwurf! Liebe Grüsse, Nghi

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