Zu Hause bei den Sekitani - Teil 1

Urlaube sind immer dann am schönsten, wenn man hinterher sagen kann, eine Reise gemacht zu haben. Nicht nur Sehenswürdigkeiten erlebt zu haben, sondern auch Menschen.


- Das war definitiv eine Reise.

Nach einer erlebnisreichen, aber auch erschöpfenden Rundreise von Osaka über Kyoto nach Tokyo nach Niigata und Nagoya/Kiso Valley ging es zurück Richtung Osaka. Dort erwartete uns bereits Familie Sekitani. Schwesterherz kannte Tochter Sekitani noch aus ihrer Studienzeit in Japan - sie war ihre Englisch-Nachhilfelehrerin. Gewissermaßen als kleines Dankeschön durften wir drei Tage bei ihnen wohnen und uns entspannen. Besonders Mutter Sekitani schien sich über unseren Besuch sehr zu freuen. Sie war stets um unser Wohl besorgt und erzählte uns von ihren Flitterwochen vor 30 Jahren in Deutschland, zeigte uns Souvenirs und Fotos und gab ein paar Geschichten zum Besten. Etwa wie sie und ihr Mann sich im Zug mit einem deutschen Pärchen zwei Stunden unterhalten haben, nur mit Hilfe eines Wörterbuchs.



Wo Katzen sind, da lass dich nieder, denn böse Menschen haben keine Tiger.


Vor dem Aufenthalt fragte ich mich insgeheim, ob ich einen Unterschied merken würde - zwischen Japan prä- und post-Fukushima. Ob die Menschen politisierter wären. Die JapanerInnen sind echt gut darin, sich selbst und anderen Normalität zu suggerieren, Probleme unter den Tisch fallen zu lassen. Aber es gibt Unterschiede zu vorher - subtil, aber wahrnehmbar.

Irgendwo meine ich gelesen zu haben, dass man in Japan lieber nicht über Politik spricht und es nicht ansprechen sollte. Nun kam Sohn Sekitani auf das Thema - mit gewissem Unmut und aus dem Nichts heraus fragte er uns: "Ist eure Regierung auch so dumm wie hier in Japan?" - "Ja, ist sie." - "Warum?" - "Die tut in der größten Krise gar nichts, man merkt gar nicht, dass sie da ist." - "Soso." Er nickte verständnisvoll.


Selbst am Frühstückstisch kamen wir auf Politik - durch Mutter Sekitani, die einen Blick auf eine Schlagzeile der aufgeschlagenen Tageszeitung warf. Bei Reis mit Salat und Ei ging es plötzlich um Atomenergie und die Energiewende.



Familie Sekitani gehört zu den wenigen, die tatsächlich Solarpanels auf dem Dach haben. Bis vor acht Jahren gab es auch vom japanischen Staat eine Förderung, woraufhin sich Sekitanis für die Installation entschieden hatten. Die japanische Regierung hat es nie an die große Glocke gehängt, dass es die Förderung gibt. Jetzt, nach Fukushima, wurde die Förderung wieder eingeführt, doch wieder wird sie nicht an die Bevölkerung kommuniziert. Wenn man es also nicht vorher weiß oder danach sucht, wird man also nie von dieser Möglichkeit erfahren. Die Nicht-Förderung von Förderung also.


Schwesterherz und ich gehen vom Reis über zur Nashi-Birne. Einen Teil des Stroms verkaufen sie, erklärt uns Mutter Sekitani, dennoch: Es wird weitere 15 Jahre dauern, bis sich ihre Kosten amortisiert haben. Und in der Nähe von Osaka wurde für diesen Sommer das Atomkraftwerk wieder hochgefahren, um, wie Mutter Sekitani die Regierung zitierte, "die Bevölkerung vor der Hitze zu beschützen". Auch wenn bei schwülen Sommertemperaturen eine Klimaanlage angenehm ist, bei so einer Aussage käme ich mir von meiner Regierung mehr als ein bisschen verarscht vor. Sie verzog beim Gespräch keine Miene, doch allein dass sie es erwähnt hat, schien mir ein Ausdruck des inneren Kopfschüttelns zu sein.


Sie entschuldigte sich sogleich, uns mit diesem Thema behelligt zu haben und begann den Frühstückstisch abzuräumen. Schwesterherz und mir tat Japan irgendwie auch leid, aber wir sind da machtlos. Schwesterherz fasste es so zusammen: "Von außen können wir wenig bis gar nichts machen. Die Leute selbst müssen Veränderung wollen."

Ich glaube, die Zeichen dafür stehen gut.

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4 Kommentar/e:

  1. Wenn man sein ganzes Leben alles nur abnicken darf und gute Miene zum boesen Spiel machen muss, woher soll ploetzlich die Energie kommen etwas zu veraendern?
    Ich kann mir vorstellen, dass das enorme Kraft und vor allem Mut kostet!

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    1. Aus der Wut, denke ich. Natürlich sind meine Annahmen sehr optimistisch, und Veränderungen in Japan gehen nur in Babyschritten voran. Aber nur weil es bisher keine Veränderung gab, glaube ich nicht, dass es sie nie geben könnte.

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  2. "Wo Katzen sind, da lass dich nieder, denn böse Menschen haben keine Tiger." - du hast nie die James-Bond-Filme mit Blofeld gesehen? ;)

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