Wochenrückblog 27.04.2015 - Der Schwesterncode, leere Schoko-Eier und Neonazis

Wieder eine Woche vorbei. Die Woche wäre zum Ende hin fast in die Hose gegangen und zeigt, welchen Einfluss Rassismus in meinem Alltag immer wieder hat. Ein Blick zurück.

1. 420
Wollte am Montag eigentlich Kiesel an der Isar sammeln gehen, um damit die Drainage-Lage meiner Balkonkästen zu machen (so hieß es in einem schlauen Buch). Habe beschlossen, das auf einen Tag zu verschieben, der nicht Hitlers Geburtstag ist. Darauf hatte mich meine Twitter-Timeline hingewiesen - an solchen Tagen sind vermehrt Leute unterwegs, denen ich unter keinen Umständen begegnen möchte. Ein kleines Beispiel, wie es sich als Person of Color in Deutschland so lebt. Mir wäre wirklich lieber, wenn wir stattdessen den Weed-Culture-Feiertag begehen würden.

2. Mehr von Model Brother
Ich hatte ja schon hier erwähnt, dass mein kleiner Bruder gelegentlich modelt. Diesen Link schickte er mir, während ich auf der Arbeit war: KLICK! Schick schick, muss ich sagen. Die Marke Prancing Leopard sagt mir nichts, Yoga mache ich nicht, aber die Sachen sehen saubequem aus. @der_welle hat auf Twitter in die Runde gefragt, ob Models sich eigentlich über die Sachen, die sie tragen (müssen), lustig machen. Eine Nachfrage bei Brüderchen ergab: Er tut das nicht, wenn etwas ganz ausgefallen ist, verdient es das Adjektiv "sick", was sowohl positiv als auch negativ bzw. ironisch negativ, also positiv zu verstehen ist. Alles klar? Ja, nee, is klar.

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3. Schokoladenhohlkörper
Laut kirchlichem Kalender ist nach wie vor österliche Festzeit (sie geht noch bis Pfingsten), also ist es völlig legitim, bis weit in den Mai hinein Ostereier zu essen. Letztens aber erlebte ich eine herbe Enttäuschung: Eines der versprochenen gefüllten Ostereier von Reber war nicht gefüllt. Und das ausgerechnet bei der Sorte "Bayrisch Creme". Allmächd, sagt die Fränkin in mir. Ich schoss ein Foto und sandte es gleich an die Firma. Die versprach mir Wiedergutmachung in kulinarischer Form. Ich werde davon berichten, wenn ich ein Unboxing machen darf.

4. Der Schwesterncode
Wie ihr wahrscheinlich wisst, schreibe ich auf Mädchenmannschaft eine quasi-monatliche Kolumne in Sachen persönlicher Feminismus-Erfahrungen. Dieses Mal beschäftige ich mich mit dem Thema weiblicher Solidarität und Unterstützung. Vielen wird von der Serie "How I Met Your Mother" der "Bro Code" vertraut sein, der sich meist nur auf Frauen abschleppen und Männerfreundschaften bezieht. Ich habe für mich festgestellt, dass es so etwas ähnliches bei Frauen gibt: Eine Art unausgesprochenes Gesetz, wie frau sich gegenseitig unterstützt. Weitere Erkenntnis: Ich sollte meine Trinkgewohnheiten überprüfen - kann ja nicht sein, dass ich mich ständig verschätze. Hier gehts zum Text.


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5. Neonazi-Alarm in Mering
Am vorgestrigen Samstag von meinen Eltern wieder nach München zurückgefahren. An sich eine unspektakuläre Heimfahrt, wenn ich nicht auf dem Bahnsteig in Mering Gegröle gehört hätte. Der Zug wurde gerade langsamer, ich sah aus den Augenwinkeln schwarze Kleidung, Bomberjacken, die einschlägigen Marken (Ionsdale), geschorene Köpfe - klassische Neonazis. In einer Gruppe. Alkoholisiert. Scheiße. Das bedeutet potenziell Ärger. Sollte ich es aussitzen? Es waren schließlich nur 15 Minuten bis München. Nein, mein Überlebenstrieb übernahm sofort das Kommando. Ich packte meine Sachen und verließ fluchtartig den Zug.
In solchen potenziellen Gefahrensituationen springt sofort mein Selbsterhaltungstrieb an, denn ich habe mir schon früh Gedanken darüber gemacht: Wenn ich bedroht werde, dann wird mir keine/r helfen. Vor allem nicht in einem vollen Zug - Bystander-Effekt und so. Bevor ich also angemacht, verprügelt (oder ermordet) werde, warte ich lieber 20 Minuten an einem zugigen, verregneten Bahnsteig in Mering.
Erst als ich ausgestiegen war und mich gesetzt hatte, merkte ich, wie schnell mein Herz schlug und dass meine Hände zitterten. Glücklicherweise hatte mich die gute Helga auf Facebook angeschrieben, die dann sogleich meine psychische Erstversorgung übernahm: Sie schickte mir das Video einer Skateboard fahrenden Katze.

Rassismus everyone. Zuhause angekommen brauchte ich erst einmal einen Drink.

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6. Nailart und Filmschauen
Der Grund, weshalb mich Helga überhaupt angeschrieben hat, war eine Meldung zu Wearable Tech in Form eines Nagelstickers. Famose Sache, denn damit kann man Tablets und allerhand anderes Gerät steuern. Noch ist es nicht ausgereift, aber ich finde es eine super Idee. Bezeichnend auch, dass eine EntwicklerIN am MIT durch Nailart inspiriert wurde. Daran sieht man wieder, dass Vielfalt zu Innovation führt.
Meine dieswöchige Nailart ist hingegen ganz analog. Mir war nach Pink, denn Pink ist perfekt, um die Stimmung zu heben. Es ist gar nicht so einfach, sich die Nägel zu lackieren, wenn man Film schaut und der Raum abgedunkelt ist. Ich behalf mich mit einer Taschenlampen-App. Das ging recht gut (wie zu sehen ist). Wir sahen übrigens Guardians of the Galaxy (jetzt auf Netflix verfügbar). Der Film war - ok. Nachdem ich zig Tumblr-Posts voller Begeisterungsstürme gelesen hatte, erwartete ich irgendwie mehr. Der Film war nett, nicht zu komplex, handwerklich solide gemacht. Aber nicht so meins. Ich habe generell nicht das Gefühl, dass ich jemals mit Superheldenfilmen warm werde. Man of Steel zum Beispiel war fürchterlich. Ja, ich habs kapiert, Superman = Jesus Christus, können wir bitte die Kreuzigungsanspielungen und den Tropos "Mann der Schmerzen" lassen?

Eine schöne kurze Woche euch allen.

Wochenrückblog 19.04.2015 - Katzencafés, Thai-Essen und kreative Outlets

Habe festgestellt, dass ich in diesem Blog zwar über mein Leben berichte (insert "wie so viele"), aber nie so "richtig" über mein Leben berichte. Der Alltag, das Unspektakuläre, das, was den Großteil unseres Lebens ausmacht, spare ich meistens aus. Die Dokumentation meines Lebens auf Instagram soll ein textliches Pendant bekommen. Deshalb und in Anlehnung an kaltmamsells Journal-Bloggen gibt es den Wochenrückblog - ein wöchentlicher Querschnitt meines Lebens zur Gedächtnisstütze und möglicherweise zur Unterhaltung. Ihr werdet sehen, dass das Leben als Asiatisch-Deutsche auch nicht so viel anders aussieht.

1. Mein Blog soll schöner werden

Ich bleibe meinem etwa jährlichen Turnus treu und suche nach einem neuen Template für meinen Blog. Festgestellt, dass es auch für Blogspot-BloggerInnen zahlreiche hübsche, ausgefallene Designs gibt. Aber bitte nicht Flat Design - das hat sich meiner Meinung nach so langsam wieder überlebt. Ich habe mich bereits für eines entschieden, muss aber noch ein bisschen im CSS herumfuhrwerken, bis ich wirklich zufrieden bin. Wie so häufig zieht das einen ganzen Rattenschwanz an Neuanpassungen nach sich: Logos müssen dann ebenfalls neu entworfen und überall eingefügt, die verschiedenen Social Networks müssen sinnvoll eingebunden werden. Demnächst also: Alles neu macht der Mai.

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2. Das Münchner Katzencafé ist etwas für großstädtische KatzenliebhaberInnen


Am Dienstag mit einer Freundin getroffen. Ich hatte vorgeschlagen, in den Katzen-Tempel zu gehen, ein Katzen-Café in der Türkenstraße. Sie war als Katzenmensch gleich Feuer und Flamme. Es ist, wie es klingt: Im gesamten Café laufen Katzen herum, die erstaunlich gut erzogen und extrem geduldig sind. Ich hätte das halbe Dutzend Kinder jedenfalls schlechter ertragen als die Katzen. Bevor sich die TierschützerInnen bei mir melden: Die Katzen haben ihren eigenen Rückzugsraum, wohin sie gehen können, wenn es ihnen zu viel wird. Sie werden ausschließlich vom Personal gefüttert - ohnehin würden ihnen die Speisen nicht schmecken, da alles vegetarisch/vegan ist.

In Japan, wo die Katzencafés ursprünglich herkommen, bucht man Zeit mit den Katzen, in der man dann Katzen streicheln darf. Das führt dazu, dass Gäste wesentlich forscher mit den Katzen umgehen - für die Tiere bedeutet das viel mehr Stress, zumal die Räume kleiner sind als in Deutschland. Den Katzen im Münchner Café geht es dagegen exzellent. Auch die Sauberkeit ist hervorragend.

Die Erdnussbutter-Schokoladentorte mit Gojibeeren ist übrigens hammermäßig. Und meine Freundin eine ausgesprochene Katzenflüsterin, sodass mir dieses Bild gelang. =3


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3. Nägel lackieren ist mein kreativer Outlet - aber anscheinend nicht ausreichend

Ja, ich lackiere nach wie vor - eine Zeitlang hatte ich keine Lust (*gasp*), dann waren meine Nägel so porös, dass ich zwangspausierte. Jetzt aber wieder - und mithilfe von japanischen Nailart-Magazinen und der grandiosen Seite www.colorlovers.com, auf der man unendlich viele Farbpaletten für verschiedene Zwecke findet, ist das auch recht einfach.
Nägel lackieren reicht mir aber wohl nicht mehr, ich ertappe mich dabei, Nähtutorials anzusehen und habe bereits unsere Loggia/unseren Balkon aufgeräumt. Gartenausstattung ist schon bestellt und kommt Anfang Mai. Hoffentlich schaffe ich es, ein Vorher/Nachher zu posten. Ich habe keinen ausgesprochenen grünen Daumen, aber sei's drum: Versuch macht klug.

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4. Thailändisch essen - drei von fünf Chilis in der Schärfeskala ist schon ziemlich scharf

Am Samstag war zunächst Frühjahrsputz angesagt. Mithilfe von Storebror die Wohnung auf Vordermann gebracht. Wieder kurz mit dem Gedanken gespielt, eine Putzfrau zu besorgen. Festgestellt, dass ich Scheu davor habe - wenn die eigene Mutter geputzt hat, fühlt man sich komisch, auf die Seite der Auftraggeberin zu wechseln. Zumindest geht es mir so. Abends ging es mit A. zum Thailänder Ratchada in der Schwanthalerstraße. Eine der tatsächlich unschönen Gegenden Münchens, nur das Deutsche Theater vermittelt Schönheit inmitten hässlicher Klötze. Das Lokal vermittelt mir das Gefühl von Vietnam: Es ist bunt (Kitsch! blinkende Schilder!! Pink!!!), es ist laut, es ist heiß (das Restaurant ist in einem Keller gelegen ohne direkte Frischluftzufuhr), es wird viel gelacht und gegessen. Die Kundschaft ist sehr Thai. Kurz: das pralle Leben. Das war vier Stunden lang lustig, aber wir gingen, als die Temperaturen eine tropische Schwüle erreichten und bevor das Karaoke losging. Im Gegensatz zu Südostasien hat München einen unschlagbaren Vorteil: Man kann hinaustreten und es ist einigermaßen kühl und still.

Das Essen war übrigens ausgezeichnet - ich hatte Tilapia in einer sehr würzigen Suppe/Soße mit Knoblauch, Limettensaft, Chinakohl und reichlich Schärfe. Laut Karte war es Schärfegrad 3 von 5 - gut scharf, aber noch gut essbar für mich. Ich schätze, dass Schärfe 4 für mich noch machbar wäre, bei 5 müsste ich wohl die Waffen strecken. Habe die Augen des Fisch gegessen und dabei an meinen Vater gedacht, der  Fischaugenessen liebt.

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Zum Nachtisch gab es Bällchen aus Klebreismehl mit süßer Kokosfüllung (vermute ich). Festgestellt, dass süße Klebreisbällchen _das_ Süßgericht schlechthin in Asien darstellt. In Vietnam gibt es sie ähnlich, allerdings mit einer süßen Mungbohnenfüllung und einem Ingwersirup oben drauf. Köstlich. Oder als frittierte Sesamkugeln. Ebenfalls köstlich. Aus Japan kennt man Mochi, die eine Füllung aus süßen roten Azuki-Bohnen. Auch köstlich. China kennt ähnliche Varianten und vermutlich viele weitere asiatische Länder mit Reis als Hauptnahrungsmittel.

Übrigens war das für mich das erste Mal in einem Thai-Lokal - ja, ich weiß. Aber meine Überlegung war immer: Warum sollte ich in ein solches Lokal gehen, wenn ich zuhause ohnehin asiatisch esse. Welch Ignoranz. Aber Thai-Essen ist ganz anders als vietnamesisches Essen: Sehr viel mehr Kokosmilch und Chili. Aber sehr empfehlenswert.

Euch allen einen guten Wochenstart.

Was man selbst tun kann für mehr Diversity

Mein Schwesterherz und ich verbrachten mal wieder ein Wochenende zusammen bei den Eltern. Das heißt, wir saßen jeweils an unseren Rechnern in einem Raum. Bis auf das Surren der Laptops und Klicken war nichts zu hören. Wir verplemperten zusammen getrennt unsere Zeit. Was Introvertierte eben tun.

"Weißt du was?" fragte mein Schwesterherz nach einer Weile. In ihrer Stimme vernahm ich einen Unterton, den ich zunächst nicht einordnen konnte.

"Nein, was?" fragte ich zurück.

"Bei meinen Grafik-Jobs bugsiere ich immer wieder mal AsiatInnen und Schwarze rein. Zum Beispiel letztes Mal in einem Video für [großes deutsches, auch international tätiges Unternehmen]."

"Aha? Hat da  sich jemals jemand beschwert?"

"Was? Nein. Die Frau von der Agentur fand das ziemlich gut. 'Wow, da sind sogar verschiedene Menschen zu sehen.' hat sie gesagt."

Meine Schwester kicherte schelmisch. Den Schalk im Nacken konnte ich förmlich sehen. Sie freute sich diebisch über ihren kleinen Streich sozialer Gerechtigkeit. Ich schmunzelte - anscheinend hatte mein ewiges "Rassismus ist scheiße"-Reden etwas gebracht. Auch wenn es nur im kleinen Rahmen war - sie tat etwas dafür, dass in Werbegrafiken und Illustrationen mehr als nur weißer Einheitsbrei zu sehen war.

"A small step for a man, a giant leap for mankind"

Rassismus und Diskriminierung aus einer Gesellschaft entfernen ist eine riesige Aufgabe, die ein einzelner Mensch nicht schultern kann. Was viele AktivistInnen und ich versuchen, ist nichts anderes als die Schaffung einer neuen Gesellschaftskultur. Eine riesige Aufgabe. Das öffnet der eigenen Überforderung Tür und Tor und brennt eine/n in Nullkommanichts aus. Ich kann als Bloggerin und Menschin nur so viel tun. Das sind Winzschritte, die jede/r vornimmt, und selbst diese sind schwierig. Aber darum geht es: Im Kleinen erst einmal etwas bewirken. Das Mikroklima verändern, Verbündete suchen und finden. Den eigenen Einfluss nutzen, und sei er noch so gering. Dann sehen wir weiter.

Nun arbeite ich seit Anfang des Jahres wieder als Angestellte in einem Unternehmen: Ich bin Texterin, und zwar die einzige in einem recht großen Laden. Mein tägliches Brot besteht darin, Stellenanzeigen zu verfassen, damit sie nicht nur gut klingen, sondern auch dem Antidiskriminierungsgesetz gerecht werden. Das legt allerdings nur das Minimum fest - "Ingenieur (m/w)" im Titel reicht da schon. Geschlechtergerecht ist das noch nicht wirklich.

Weil ich die einzige Texterin bin, ist es meine edle Pflicht und mein persönliches Vergnügen, noch entschiedener auf gendergerechte Sprache zu achten. Es sind die /-Zeichen, die den Unterschied machen. Und zwar nicht nur im Titel, sondern auch im Text. Das bisschen Macht, das mir kraft Einstellung gegeben wurde - ich nutze sie für gendergerechte Sprache, und niemand kann mich aufhalten. Radikal bin ich nicht, sondern eher pragmatisch: Bei Komposita setze ich meist auf die althergebrachte Form, etwa "Kundenbetreuung". Bei anderen Begriffen verwende ich die neutrale Form. Statt "Entwicklerteam" gibt es bei mir das "Entwicklungsteam". Perfekte Lösungen gibt es wie bei so vielen Dingen im Leben nicht und von diesem Anspruch habe ich mich im Arbeitsalltag gelöst. Aber was ich machen kann, tue ich.

Die Episode mit meiner Schwester ist noch nicht ganz zu Ende erzählt: Im Zimmer war wieder nur Surren und Klicken und Tastaturklackern zu hören. Ich freute mich im Stillen, dass mein Aktivismus in meinem unmittelbaren Umfeld Früchte trug. Neil Armstrong hatte schon recht mit seinem Satz vom kleinen Schritt für den einzelnen Menschen. Schwesterherz unterbrach meinen Gedankengang mit einem Nachsatz:

"Außerdem"  - sie tippte konzentriert - "außerdem fand ich es irgendwann langweilig, immer nur rosa Menschen zu zeichnen."