Eine Liebeserklärung*

Es gibt Begegnungen, die sind so besonders, so schön, dass sie das Potenzial haben, zum Eckstein einer Persönlichkeit zu werden. Sie haben die Macht, einen Menschen neu zu definieren, ihn an das Gute im Leben glauben zu lassen. Sie hauen dich von den Socken, ziehen dir den Boden unter den Füßen weg. Schmetterlinge im Bauch, alles dreht sich, die ganze Welt ist schön. Und wenn die langen hellen Sommernächte in die Stadt kommen, ist es schnell um einen geschehen.

Ich habe dich erst vor drei Wochen kennengelernt, aber mir kommt es vor, als kennen wir uns schon seit Jahren. Verdammt, wo warst du nur mein ganzes Leben lang? Plötzlich wird alles bedeutungslos, was ich davor gesehen und erlebt habe. Denn du hast mein Herz im Sturm erobert. Ich weiß - große Worte für jemanden wie mich, die versucht, romantische Gefühle und Pathetik außerhalb ihres Blogs zu lassen. Aber ich kann nicht umhin, dir ein Hohelied der Verehrung zu singen. Denn das hast du dir verdient. Deshalb:

Ich liebe dich, Community.


Zunächst war ich unschlüssig, ob ich mich auf dich einlassen sollte. Ich fühlte mich leer, wollte kein Vertrauen fassen. Nicht nach all dem, was ich in der Vergangenheit mit anderen Serien mitgemacht hatte. Warst du wieder nur so ein Idiot, der mich dann nach drei Sätzen enttäuschen würde? Mich mit Dummheit und Durchschnitt quälen würde, wenn der Effekt des Neuen sich abgenutzt hätte? Würdest du einfach nur mehr von demselben anbieten?

Wir verbrachten lange Nächte miteinander, du hattest so viel zu erzählen. Es schien, als müsste ich fünf Jahre im Schnelldurchlauf nachholen. Du erzähltest in einem Tempo, mit einer Begeisterung und einem Witz, die mich mitriss. Ich war von dir hingerissen. Deine Fantasie und dein Einfallsreichtum - ich seufze selig, wenn ich nur daran zurückdenke. Tag und Nacht dachte ich an dich, lachte in Gedanken über deine Sprüche. Du machtest mich glücklich.

Natürlich blieben mir auch deine Schwächen nicht verborgen. Je länger ich mit dir zu tun hatte, desto deutlicher wurden mir deine Schwächen bewusst. Mitunter warst du sexistisch, mitunter rassistisch, homophob, manchmal bewegtest du dich am Rande des Wahnsinns guten Geschmacks. Ob das notwendig war, um dich über Sexismus, Rassismus und Homophobie lustig zu machen? Auch wenn ich vieles davon nicht gutheißen konnte: Ich konnte dir nicht böse sein, du brachtest mich zum Lachen und ich sah über deine Schwächen hinweg. Du hattest einen Cast, vielfältiger, als ich es gewohnt war. Du hattest gut geschriebene Figuren, die alle ihre Stärken und Schwächen hatten.

Selbst dein "Held", ein weißer, heterosexueller Mann (konventionell attraktiv) stand nie so im Mittelpunkt, dass alle anderen zum Hintergrundrauschen degradiert wurden. Mir gefiel, dass romantische Beziehungen möglich waren, aber nicht zwangsläufig geschehen mussten. (Warum können in Sitcoms eigentlich nur Pärchen im Main Cast entstehen?) Du hattest tonnenweise Fanservice, überbordende popkulturelle Referenzen, deine ironische, post-moderne Haltung zu dir selbst fand ich unglaublich anziehend. Und hey, wer ist schon perfekt? Du nicht. Ich nicht. Niemand.

Doch wie alle guten Dinge musste auch unsere Beziehung enden, denn dein Sender NBC zog nach fünf Staffeln den Stecker. Du verließt mich so schnell, wie du in mein Leben getreten warst. Noch ehe ich ein verzweifeltes, überdramatisches "Noooooiiiiin!!!!" schreien konnte, verschwandest du aus dem Äther. Ich wusste bereits zum Anfang unserer Beziehung, dass das Ende absehbar war, dass du eine zum Tode verurteilte Serie warst. Dass es nur ein Gastspiel werden würde. Eine kurze Sommerliebe. Und dennoch: Ich möchte keinen Augenblick unserer Begegnung missen. Niemals würde ich unsere Zeit zusammen bereuen. Auch wenn du mich verlassen musstest und mich mit gebrochenem Herzen zurückließt.

Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als bei Staffel 1, Folge 1 anzufangen und traurig zu sein. Das ist mehr eine Totenrede als ein Liebesbrief, ich stehe an deinem offenen Grab und nur die zahlreichen Gifs auf Tumblr können meinen Schmerz lindern. Manche behaupten, du könntest irgendwo im Netz fröhliche Urständ' feiern. Bei Netflix oder Hulu. Heute ist der Tag, an dem in den USA klassischerweise die Schauspielverträge auslaufen und sie dann frei sind, andere Engagements einzugehen. Deine Galgenfrist läuft also ab und bislang war noch nichts zu hören. Ich möchte meine Hoffnungen nicht zu hoch setzen. Community, ich werde dich nie vergessen.  

#sixseasonsandamovie




*Ok, das war jetzt alles übertrieben, aber ich mochte die Serie wirklich. Ich glaube, seit Scrubs gab es keine Serie mehr, die ich wirklich so genossen habe. Die meine Familie (lies: meine Geschwister) vereinen konnte (meist, weil ich keinen Bock hab, Serien zu gucken. Wahrscheinlich, weil ich extrem anhänglich werde, wenn mir was gefällt). Inzwischen empfehle ich nichts mehr uneingeschränkt, weil ich nichts uneingeschränkt gut finden kann (alles, was man mag, ist irgendwo auch problematisch), und weil immer jemand noch weitere problematische Aspekte findet, was ja in Ordnung ist.

EDIT: OH MEIN GOTT OH MEIN GOTT OH MEIN GOTT! News just in: Community wird fortgesetzt! Online! Danke Yahoo. Oder anders gesagt: Cool. Cool cool cool.
http://insidetv.ew.com/2014/06/30/community-sixth-season/



 

Presseschau 16. Juni: Prom, Indie, Kondome und Sex

Wow, ich habe alle wichtigen Keywords im Titel untergebracht! *clickbait* Ich habe einige lesenswerte Storys in den Weiten des Netzes ausgegraben - euch allen einen schönen Wochenstart!

Asiatisches Aschenputtel in Kanada

In Nordamerika ist das "Prom-Business" ganz groß - die Erwartungen und Sehnsüchte der Backfischjahre (ich wollte dieses Wort schon immer mal verwenden) kondensieren sich an diesem scheinbar magischen Abend des traditionellen Abschlussballs. Diese Kurzgeschichte von Linda M.C. Nguyen widmet sich den Versprechungen (und Enttäuschungen) des Prom aus vietnamesisch-kanadischer Perspektive.

http://yareview.net/2014/06/asian-cinderella/

Indie-Musik in China

Als ich vor einigen Jahren in Beijing im Urlaub war, befand sich unser Hotel in der Nähe der sogenannten Hutongs - einem traditionellen Wohngebiet mit vielen kleinen budenähnlichen Häusern. In der Umgebung gab es zahlreiche kleine Clubs und Cafés, etwa ein Café mit deutschem Frühstück, das ich nur deshalb besucht habe, weil meine Begleitungen Expats waren und sich nach Semmeln und Brezeln sehnten.
Diese Umgebung war "hip". Menschen mit Gitarren auf dem Rücken, internationales Publikum, Menschen auf dem Fahrrad - nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Lifestyle-Gründen heraus - bevölkerten die Straßen. Aus diesem Grund verwundert es mich nicht, dass in China eine lebendige, sehr junge Indie-Musikszene existiert. Im Interview erzählt Musiker Hua Dong mehr:

http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/587074/In-China-lieben-sie-Indie

Fake Kondome in Vietnam

Laut einem neuen Bericht sind fast die Hälfte aller Kondome, die auf dem freien Markt verkauft werden, von so schlechter Qualität, dass sie ein Gesundheitsrisiko darstellen. Viele dieser Kondome sind Plagiate und werden unter dem Namen namhafter Hersteller wie etwa Durex vertrieben und kosten einen Bruchteil der Originale - zwei US-Cent gegenüber einem Dollar pro Kondom. Laut Gesundheitsministerium assoziieren viele in Vietnam Kondome nach wie vor mit Untreue oder Sexarbeit, was sie nicht gerade beliebt macht. Wenn die erhältlichen Kondome jedoch so fehlerhaft sind, dass sie keinen Schutz bieten, wird sich das auch nicht ändern.

http://www.irinnews.org/report/100190/vietnam-s-counterfeit-condom-crisis

Jugend ohne Sex in Japan

Über die Millenials und die Generation Y (meine Generation, schnüff) wird allenthalben viel geschrieben. Von SinnsucherInnen über "verwöhntes Pack" reichen die Labels, mit denen diese Generation bedacht wird. Die Symptome bei Japans Jugend und jungen Erwachsenen sind möglicherweise in diesem Licht interpretierbar. Vordergründig geht es um ihr fehlendes Interesse an Sex. Die Artikel auf Zeit Online versucht, die japanischen Verhältnisse zu ergründen, und zieht gleichzeitig Parallelen zu Deutschland. Ist die Situation dort etwas, das auch Deutschland blüht?

via @gedankenreiter

http://www.zeit.de/2014/24/japan-jugend-sex

Bonus: Video der Woche

BuzzFeeds Youtube-Kanal BuzzfeedYellow (oh die Ironie) hat ein Video gepostet, das richtig lustig ist: Wenn AsiatInnen das sagen würden, was Weiße sagen. Für alle, die es tatsächlich noch nicht gesehen haben :D


Draußenzeit



Obwohl das, was ich hier mache, sich Blog nennt, schreibe ich auffällig wenig über mein persönliches Leben. Was seltsam ist, schließlich stammt "Blog" vom Wort "weblog", also Netz-Tagebuch ab. Nun weiß ich nicht, ob mein alltägliches Leben interessant genug ist, darüber zu berichten. Ich tue es einfach mal - vieles kann man nicht wissen, ehe man es nicht vorher ausprobiert hat.

Derzeit bin ich immer wieder in der alten Heimat - ungefähr 25% meiner Zeit stelle ich meinen Laptop dort auf, wo ich früher über Hausaufgaben gebrütet habe. Während dieser Zeit fahre ich vormittags gerne hinaus mit dem Rad. Auch in München mache ich das, aber es ist nicht das selbe, schon rein vom Entspannungsfaktor her nicht: In der Großstadt ist immer jemand, man ist ständig umgeben von Leuten, von Lärm, von Verkehr. Dauernd steht man an Ampeln und wartet. Außerdem muss man sich die Straßen mit dem massiven Berufsverkehr teilen.


Aus diesem Grund genieße ich die schönen Seiten dieser strukturschwachen Gegend: Da das Wetter derzeit so gut ist, erkunde ich verschiedene Radrouten. Seit meinem Wegzug während des Studiums haben sie die Beschilderung eindeutig verbessert - vielleicht hat man sich an der Münchner Beschilderung orientiert, die in Grün auf Weiß zeigt, wohin man gerade unterwegs ist. Ich fahre hinaus, nach spätestens fünf Fahrradminuten befinde ich mich auf Feldwegen, umgeben von Weizen, Roggen und Mais, Kornblumen und Klatschmohn. Nach fünfzehn Minuten ist auch der letzte Verkehr weg, ich stehe auf Radwegen, wo vormittags kein Mensch vorbeikommt. Es ist still, es duftet gut nach Natur und irgendwie auch nach Sommerferien vergangener Tage.


Sehr schön sind die vielen Wasserschutzgebiete. Ich sehe verschiedene Tiere auf den Feuchtwiesen - Infotafeln informieren mich später darüber, dass mir soeben eine besonders stark gefährdete Schnepfenart über den Weg gelaufen ist. Dazu Störche, Feldhasen, Kraniche und Libellen. Übrigens scheint es relativ normal zu sein, entgegen kommende RadlerInnen freundlich zu grüßen.


Die gestrige Route ging von Gunzenhausen bis nach Treuchtlingen, das ist eine einfache Strecke von etwa 25 km mit nur wenigen Aufs und Abs. Man folgt dabei einer Weile den Bahngleisen, fährt immer wieder an Feldern vorbei (der weite Blick! herrlich) und kommt durch Dörfer mit so illustren Namen wie Aha oder Graben. Diese Route ist wirklich idiotensicher: Einfach den grünen Pfeilen nach.

Was ich mir für das nächste Mal dennoch auf jeden Fall merken sollte: Solche Entfernungen rechtfertigen ein Frühstück vorab. Insgesamt fünfzig Kilometer nüchtern zu radeln ist möglich, aber nicht empfehlenswert.

"Wir nutzen jede Gelegenheit, um an neuen Songs zu arbeiten" - Interview mit Duke & Sara


Duke&Sara

Ich habe eine Schwäche für Akustik-Gitarrenpop. Seit meinen Jugendtagen, an denen ich wochenlang nichts anderes als Kings of Convenience gehört habe, schätze ich leicht jazzig/bossanova-artige Klänge sehr. Vermutlich Ziemlich sicher war diese Band einer der Gründe, warum ich mir Norwegen als Destination für mein Auslandsstudium gewählt hatte.
Als ich im Frühjahr in Berlin war, stellte mir eine meiner neuen Bekanntschaften Duke&Sara vor - nicht persönlich, sondern als Musiktipp. Dass sie damit offene Türen bei mir einrennen würde, konnte sie nicht vorhersehen: Die beiden machen sanften Gitarrenpop mit englischen Texten, die bestens zu einem verbummelten Sommertag passen.
Duke&Sara waren so freundlich, mir ein Interview zu geben; wir sprachen über musikalische Einflüsse, Zukunftspläne und asiatische Deutsche.

Wer seid ihr, was macht ihr?
Wir sind Duke&Sara, ein Akustik-Duo aus Berlin. Sara übernimmt den Gesang/Gitarre, Duke spielt meistens Gitarre und singt auch manchmal gern mit.

Wie habt ihr als Musiker zusammengefunden? Wie lange gibt es Duke&Sara bereits?
Wir sind auf die gleiche Schule gegangen, als Duke erstmals nach Berlin gezogen ist. Es hat sich eine kleine Band-AG in der Schule etabliert und dort haben wir uns kennengelernt. Uns gibt es seit dem September 2011 – puh, mittlerweile schon 3 Jahre.

Mir hat eure Musik auf Anhieb gefallen – was kein Wunder ist, weil eure Musik mich stark an meine Lieblingsband, die Kings of Convenience, erinnert. Wer hat euch noch beeinflusst?
Die KoC-Einflüsse kommen von Duke. Sara dagegen ist ein großer Fan von Ben Howard.
Wir beide waren aber auch mal zusammen auf einem Konzert von der englischen Songwriterin Lucy Rose und fanden sie beide grandios. Aber andere Einflüsse von Richtungen Blues, Soul, Jazz, Electro und Folk sind sicherlich vorhanden, da wir gern ganz viel alte und neue Musik hören.

Soweit ich weiß, studiert ihr beide, allerdings an verschiedenen Orten. Ich könnte mir vorstellen, dass das mit dem gemeinsamen Musizieren nicht so einfach ist. Welche Pläne habt ihr für eure musikalische Zukunft? Werdet ihr weiterhin zusammen Musik machen oder arbeitet ihr noch an anderen Projekten?
Wir lassen alles auf uns zukommen. Wegen der Distanz ist es wirklich schwieriger geworden, zusammen zu proben oder uns auszutauschen. Aber wir nutzen jede Gelegenheit, um an neuen Songs zu arbeiten, kleinere Projekte zu starten oder einfach nur zusammen zu spielen und den Moment zu genießen.

Nun ist das Thema des Blogs ja „Asiatische Deutsche“ - wie ist euer Background zusammengesetzt und haben eure Wurzeln in eurer Musik je eine Rolle gespielt?
Duke kommt ursprünglich aus Vietnam und Sara aus der Mongolei. Das ist sicherlich eine ungewöhnliche Kombination. Dazu kommt noch, dass wir in Deutschland leben, englische Texte schreiben und ruhige, akustische Musik machen.
Unsere Wurzeln haben uns sicherlich beeinflusst. Duke ist nie mit Musik aufgewachsen – das war wahrscheinlich der Grund, warum er mit 16 Jahren die große Leidenschaft für Musik entwickelt hat. Die Sara dagegen singt gerne von weiten Landschaften und Naturgegebenheiten – das findet man alles in den weiten Steppen der Mongolei.

Gibt es eine Möglichkeit, euch live zu sehen oder eure Musik zu unterstützen?
Zurzeit sind keine festen Gigs geplant. Aber wenn wir beide in Berlin sind, werden wir wieder in kleineren Locations spielen – Neuigkeiten findet man auf unserer Facebook-Seite.
Wir freuen uns immer über neue Zuhörer, auf Soundcloud findet man Aufnahmen von uns.

Letzte Frage: Welche Musik/Bands hört ihr am liebsten privat?
Duke beschäftigt sich zurzeit mit Samples und hört viel Jazz und Electro.
Sara stöbert gern auf youtube auf der Suche nach neuen Künstlern, zurzeit sind ihre liebsten Neu- und Altentdeckungen Nick Mulvey, Spring Offensive, Die Höchste Eisenbahn und Villagers.

Danke für das Interview!


Ich hoffe (auch in meinem ganz eigenen Interesse), dass sie noch viel Musik zusammen machen.
Zum Schluss gibt es noch eine Hörprobe - mein persönliches Lieblingslied von den beiden.

Genießt den Sommer.

BlogF Blogparade: Informationsflut



Weil ich es letzten Monat nicht geschafft habe, an der BlogF Blogparade teilzunehmen (übrigens freut sich das Team über jeden Kommentar und jeden Beitrag, jede/r darf mitmachen!), widme ich mich diesmal dem Thema - was war das Thema?

Informationsflut. 


Dieses Wort ist, unschwer erkennbar, eine Metapher: Informationen werden mit einer Naturgewalt gleichgesetzt, gegen die man als Mensch wehrlos ist. Eine Flut kann plötzlich kommen, sie überschwemmt alles und reißt es mit sich. Auch wenn man Deiche und Dämme zum Schutz dagegen baut: wenn es ganz hart kommt, ist auch das sinnlos. Ich frage mich aber, ob das Bild der Flut wirklich so gut passt.

TMI = Too Much Information.

Heutzutage stellt sich schnell das Gefühl ein, von Informationen überschwemmt zu werden, regelrecht darin zu ersaufen. Stichwort: TMI. Man muss nur Laptop oder Smartphone anschalten, schon ergießt sich ein ergiebiger Strahl an Daten. Der erste Fehler der Flut-Metapher: Anders als bei einer Naturkatastrophe kann ich selbst bestimmen, ob ich den Damm öffnen will. Es liegt in meiner Hand. Dann ist der Umgang mit TMI eine Frage persönlicher Disziplin. Banalstes Beispiel sind Serienspoiler. Als im Januar die neue Sherlock-Staffel herauskam und ich verhindern wollte, dass Tumblr mir mit Gif-Sets alle wichtigen Plotpunkte ruiniert, war meine Lösung: Dem zuvorkommen und die Serie sofort live gucken. Zugegeben, eine Verzweiflungstat. Aber etwas, das ich selbstverantwortlich tun kann.

Zweiter Fehler: Information ist ein Wort mit neutraler bis positiver Konnotation. Ein Mehr an Informationen hält man in der sogenannten Informationsgesellschaft für etwas Gutes. Nur sollte man nicht den Fehler machen und sie mit Wissen gleichsetzen. Das Internet ist zwar voll von Informationen, aber dabei handelt es sich selten um Dinge, die ich wissen will. Kommentarspalten sind mitunter ein Hort von Unwissen, gepaart mit Boshaftigkeit. Daneben gibt es dann noch digitale Belästigungen wie Penis-Bilder oder allgemeines Getrolle. Der Glaube, der Mensch sei die Krone der Schöpfung, verliert sich schnell in Netzkommentaren und Tweets.


Informationsflut: Ja, bitte!

Die Flut-Metapher hat andererseits Aspekte, die gut passen. Nehmen wir an, ich will eine Informationsflut: Ich muss etwas Wichtiges wissen, zum Beispiel zum Konflikt in der Ukraine oder zur Zukunft der Arbeit. Wie bei natürlichen Fluten weiß ich nicht, was kommt. Fruchtbarer Schlamm, klares Wasser oder Industrieabfälle? Ich wate durch ein Meer an Halbfakten, Unwahrheiten oder Lügen und muss darauf hoffen, dass die guten Sachen an mir vorbeitreiben. Ordentlich recherchiert, ausgewogen, möglichst nicht voreingenommen oder zumindest so gestaltet, dass ich mir eine Meinung bilden kann, und leicht verständlich - das wäre großartig.

Das Problem heute ist also folgendes: Uns wurden schon früher Informationen geliefert, aber es gab nicht so viele Kanäle. Es gab die Tageszeitungen, die verfolgten die eine oder andere Ideologie (rechts/links), das Fernsehen (ganz früher nur öffentlich-rechtlich), das wars. Man fühlte sich gut informiert, wenn man abends die Tagesschau gesehen hatte. Die Frage nach Qualität oder weiteren Sichtweisen stellte sich zwar auch damals schon, war aber meist vergebene Liebesmüh. Es gab ohnehin kaum Alternativen. Das Angebot ist heute viel größer. Zumindest scheinbar.

Rettungsboot gesucht

Es ist wie verhext: Je mehr Informationen ich habe, desto dümmer komme ich mir vor. Wenn sich die Qualität von Informationen in der Informationsflut in einem Kontinuum zwischen "kompletter Bullshit" und "42*" bewegt, muss ich das erkennen und dazwischen navigieren können. Gut, dass ich ein Rettungsboot habe. Mein Urteilsvermögen. Es ist zusammengeschustert aus meiner Erziehung, meinem sozialen Umfeld, Popkultur und Geschichten, Kategorien und Konzepten sowie Lebenserfahrungen. Dank meinem Rettungsboot kann ich leidlich navigieren, mich orientieren und mir die "guten Sachen" aus der Informationsflut herausfischen.

Natürlich könnte ich mich großen Schiffen anschließen, den Ideologien. Liberal, konservativ, rechts, links, ökologisch, anarchistisch, westlich, östlich. Navigieren wäre leichter, ich hätte Gesellschaft, könnte auch mal auf dem Deck entspannen. Aber das will ich nicht. Ich will mich nicht vereinnahmen lassen. Ich lasse mich von ihnen manchmal versorgen, aber meine Nussschale verlasse ich nicht. Lieber bin ich Kapitänin meines eigenen Schiffs. Auch wenn es klein und schäbig ist. Aber ich versuche, es beständig zu verbessern, um vielleicht die Wahrheit zu finden.




Wahrheit finden klingt sehr esoterisch. Aber soweit ich verstanden habe, geht es der Informationsgesellschaft letztendlich genau darum: eine Reduktion der Lücken in unserem Wissen und eine Maximierung von Wissen und damit Wahrheit (leider meist zur Maximierung von Profit, aber das ist eine andere Geschichte).

Wahrheit ist ein Anspruch, den keine Information der Welt erfüllen kann. Und schon gar nicht die digitale Informationsflut. Die modernen Technologien gaukeln uns vor, dass wir Allwissenheit haben könnten. Die große Erlösung stellt die angebliche Informationsflut jedenfalls nicht dar.


*Douglas-Adams-LeserInnen wissen, dass das eine Referenz auf die Antwort auf alle Fragen und die Existenz überhaupt ist.

Presseschau 2. Juni: Territorialstreit, mehr Kinder und Buchstabierrassismus

Hier wieder eine Presseschau mit interessanten Links, es geht diesmal viel um Politik (uuuund wir haben einige potenzielle LeserInnen abgeschreckt ^^):

Meins!

Auch wenn ich mit diesem Blog den Anschein erwecke, dass es so etwas wie eine asiatische Identität gibt: Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern sind groß. Mitunter so groß, dass es zu ständigem Knatsch kommt. In den letzten fünf Jahren versucht China nämlich, im südchinesischen Meer Gebiete für sich zu beanspruchen. Meist handelt es sich um Inseln, für die aber auch andere Staaten wie Japan, Vietnam, Malaysia oder Brunei Ansprüche stellen. Ein Übersichtsartikel gibt einen kleinen Einblick.

http://www.faz.net/aktuell/politik/geopolitik-in-asien-warum-china-immer-heftiger-um-inseln-streitet-12967265.html

Was das mit mit zu tun hat? Wenn ich meine Eltern besuche, darf ich mir wieder anhören, was China schreckliches mit unserem Mutterland anstellt. *seufz* Vietnam ist auf China nicht gut zu sprechen, was nach Jahrtausenden der Kolonialisierung nicht ganz verwunderlich ist. Erst kürzlich kam es im Zusammenhang mit dem Territorialstreit zu Unruhen und Krawalle gegen chinesische Fabriken, die von der vietnamesischen Regierung toleriert wurden:

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-05/china-vietnam-philippinen

Gewalt gegen Frauen

Als ich vor drei Jahren in China war (langjährige LeserInnen erinnern sich), war ich einmal alleine in Shanghai unterwegs zum Sightseeing und Shoppen. Ich wurde dort zwei mal von je einem jungen Kerl angesprochen. Da ich kein Wort verstand, ging ich weiter. Beide Male ließen sie mich nicht in Ruhe, stattdessen fingen sie an, mich am Arm festzuhalten. Ich habe meinen Arm weggezogen und bin schnell weitergegangen. Ob ich in Gefahr schwebte weiß ich bis heute nicht. Das Ganze hätte aber böse enden können. Wir leben nach wie vor in einer Welt, in der Frauen Angst vor Männern haben müssen. Wie in Indien, wo zwei junge Mädchen nach einer Gruppenvergewaltigung gehängt wurden. Richtig, die Opfer wurden gehenkt, nicht die Täter.

http://www.sueddeutsche.de/panorama/indien-hauptverdaechtige-gestehen-gruppenvergewaltigung-1.1981513

Und bevor jemand sagt: #nichtalleMänner!, bitte folgendes bedenken: Wenn mir jemand einen Teller mit Keksen anbietet und sagt: "Nimm doch einen. Da sind zwar ein paar vergiftete dabei, einer davon würde dich umbringen, einige geben dir nur Durchfall - aber der Rest, die große Mehrheit, ist völlig in Ordnung! Nicht alle Kekse sind schlecht" Wer würde es mir verdenken, wenn ich dennoch dankend ablehne?

Und bevor jemand sagt: das ist Indien, das ist eh rückständig!, bitte folgendes bedenken: Es ist gerade einmal zwei Wochen her, dass ein junger, im Westen geborener und aufgewachsener Mann aufgrund seines gekränkten Egos Jagd auf Frauen machte. Nicht metaphorisch, sondern wortwörtlich.

Mehr Kinder!

Japan und Deutschland haben eines gemeinsam: Die ziemlich niedrige Geburtenrate (1,41 vs. 1,38 Kinder pro Frau) . Deshalb versucht die Regierung, Anreize zu schaffen, damit Frauen mehr Kinder bekommen, am besten drei. 
 
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/japan-arbeitet-an-der-drei-kinder-familie-12968006.html

ABC des Rassismus

Buchstabierwettbewerbe haben in den USA Tradition. Wer die englische Sprache kennt, kennt auch ihre unvorhersagbare Orthografie (oder weiß jemand, wie man "misc." korrekt schreibt?) Es erscheint daher logisch, aus dem Buchstabieren einen Wettbewerb zu machen. Jetzt gab es im nationalen Buchstabierwettbewerb eine Sensation: Zum ersten Mal seit 1962 gab es ein Unentschieden. Worüber wird in den sozialen Medien aber am meisten diskutiert? Über die indische Abstammung der beiden Gewinner:

http://www.policymic.com/articles/90269/these-indian-american-spelling-bee-champions-have-an-important-lesson-about-race-in-america

Japanisch-amerikanische Bürgerrechtlerin verstorben

Yuri Kochiyama, Bürgerrechtsaktivistin ist mit 93 Jahren verstorben. Sie war mit Malcolm X befreundet und engagierte sich in der Bürgerrechtsbewegung, unter anderem mit der Forderung nach Entschädigungszahlungen für die Opfer der Internierung von AmerikanerInnen japanischer Abstammung in Lagern während des zweiten Weltkriegs:

http://www.npr.org/blogs/codeswitch/2014/06/02/318072652/japanese-american-activist-and-malcolm-x-ally-dies-at-93

Gangnam Style - ein Riesenerfolg

Verflucht sei dieses Lied, das uns eine weitere Welle hirnloser Dance-Musik beschert hat und verflucht sei seine Ohrwurmqualität: Das Youtube-Video von "Gangnam Style" hat zwei Milliarden Views erreicht. Wer es immer noch nicht gesehen hat (was ich stark bezweifle), hier der Link. (Wenn ihr auf die tanzenden Gifs neben der Viewzahl klickt, seht ihr eine nette Überraschung, versprochen!)

Die weniger interessante Meldung dazu:

http://www.morgenpost.de/vermischtes/article128591310/Gangnam-Style-knackt-bei-YouTube-die-Zwei-Milliarden-Marke.html