Blaue Augen vs. Braune Augen: ein Experiment

Leserin icassop hat folgendes Video auf YouTube gefunden - es handelt von einem Experiment mit einer weißen, amerikanischen Grundschulklasse im Jahre 1970. Die Lehrerin bringt den Kindern bei, was Rassismus ist, wie Diskriminierung funktioniert und vor allem wie er sich anfühlt:



Für die nicht so sehr des Englischen mächtigen: Die Kinder wurden von der Lehrerin für zwei Tage nach ihrer Augenfarbe eingeteilt und dementsprechend behandelt. Zu Beginn stehen die blauäugigen an der Spitze der Klassenhierarchie. Mit einfachen Aussagen verstärkt die Lehrerin die Wirkung dieser Diskriminierung: Sie seien klüger, fleißiger und einfach besser als die braunäugigen. Die Blauäugigen bekommen eine längere Pause und werden überhaupt bevorzugt behandelt.

Auf dem Schulhof während der Pause wird deutlich, was die Vorverurteilung und die Marginalisierung mit den braunäugigen Kindern macht: Sie werden schüchtern, ziehen sich zurück, trauen sich nichts mehr zu und werden obendrein noch mit "brown-eye" gehänselt. Ihre Körpersprache verändert sich, wirkt bedrückt und klein. Beim Kartenspiel sind sie entscheidend langsamer.

Die Lehrerin kommentiert das Ganze folgendermaßen:
I watched what had been marvellous, cooperative, wonderful, thoughtful children turn into nasty, vicious, discriminating little third-graders in a space of fifteen minutes.
Nach einem Tag dreht sich das Verhältnis um: Nun sind die Braunäugigen in diesem Experiment die besseren Menschen und prompt werden die Blauäugigen in ihren Leistungen beim Kartenspiel schlechter, wirken gehemmt und bedrückt.

Als das Experiment endet, erklärt die Lehrerin den Kindern, was sie erlebt haben:
It's not funny, it's not fun, it's not pleasant. This is a filthy nasty word called discrimination. We're treating people a certain way because they are different from the rest of us. Is that fair? - No!
 Die Kinder beschreiben ihre Erfahrungen mit sehr bildhaften Vergleichen:
(It feels) down. (Like) a dog on a leash. - Like a chain, wherever you go. Like you're chained up in a prison, they shut it up and throwing the key away.
Dieses Experiment zeigt die Macht von willkürlichen Annahmen, die auf Äußerlichkeiten beruhen, wie entsetzlich schnell Menschen diese diskriminierende Regeln verinnerlichen, warum man auf Worte wie dem N-Wort unbedingt verzichten sollte, was Vorurteile als selbsterfüllende Prophezeiungen auslösen und letztendlich:

Wie gut es sich anfühlt, wenn alle gleich viel wert sind.

EDIT: LeserInnen auf Twitter und Facebook haben mich darauf hingewiesen, dass es eine Dokumentation zu Mrs Elliott gibt. Sie heißt im Deutschen "Blauäugig". Einen Trailer gibt es hier. Danke noch einmal an @zweitbombe und Martine H!

Story of our lives.

Eine der besten Repliken auf die leidige, allseits nervige Frage "Wo kommst du her?"
Vielen Dank an Leser nutella für diesen Hinweis :)

Peinliche Stille oder: Warum ich "Ruhe" heiße

Als meine Mutter wortwörtlich mit mir schwanger ging, ging es ihr ziemlich schlecht. Ich muss ein ziemlich harter Brocken gewesen sein, der ihr gute neun Monate lang einiges an Kummer bereitet haben muss. Auch die Geburt gestaltete sich als äußerst schwierig, so wurde mir gesagt.
Als ich dann endlich in den frühen Morgenstunden des 27. November 1985 das Licht der Welt erblickte, musste es meiner Mutter wie Schuppen von den Augen gefallen sein, wie mein Name lauten sollte.

Ruhe.

Die berühmte Faust auf dem mindestens ebenso berühmten Auge. Wer mich kennt, weiß von meinem seelischen Eremitentum, das ich durchaus kultiviere. Menschen, vor allem in Ansammlungen von mehr als vier, stressen mich sehr schnell. Aaah. Hilfe. Die peinliche Stille, eine nahe Verwandte der Ruhe, war zeit meines Lebens meine ständige Begleiterin, wobei es eher für meine Gesprächspartner peinlich war. Ich gehe in der Zeit der Stille mal kurz in meinem eigenen Gehirn verloren:

"Ok, die Frage hab ich beantwortet! Jetzt wartet sie auf etwas. Was soll ich denn sagen? Das Wetter? Schon wieder?! Zu belanglos. Vielleicht die Kinder? Interessieren mich null. Wie das Wochenende war? Hatten wir das nicht schon? Ist das nicht zu persönlich? Was, wenn sie darüber nicht reden will? Naekubi, lächeln nicht vergessen!"




Gerade am Telefon weiß ich manchmal schlichtweg nicht, was die Leute von mir erwarten. Dann sage ich eben nichts. Was auch wieder nicht richtig ist, wenn gerade mein Kunde einen Witz gemacht hat. Mist.

Eine meiner Professorinnen an der Uni hatte gemutmaßt, dass es irgendwie mit meiner Kultur zu tun haben könnte, dass ich seeehr zurückhaltend bin. Das glaube ich nicht: Vietnamesinnen habe ich gemeinhin häufig als äußerst lebhaft, ja nachgerade als laut und eher offen erlebt.

Vielleicht ist aber etwas Wahres dran, dass kollektivistisch geprägte Kulturen wie die in Asien ganz anders mit introvertierten Menschen umgehen. Introversion schien mir in Japan eher der Normalfall zu sein. Schwesterherz, meine Hausjapanologin, meinte dazu: "In Japan fallen die Extrovertierten so auf wie hier die Introvertierten."

Auch Norwegen erwies sich als Paradies für Introvertierte, was nicht nur an der Weite und Leere des Landes liegt. Man kann dort wunderbar schweigen - es war nie eine peinliche, eher eine angenehme Stille. Natürlich sind die Leute dort auch mal laut, aber persönliche Spleens werden da eher akzeptiert. In meinem letzten Norwegen-Urlaub kam ich bei einem guten Freund von mir unter. Er veranstaltete eine Hausparty, die auch recht lustig war. Aber irgendwann war ich müde und bin wortlos ins Bett gegangen - es war ein langer Tag. Am nächsten Morgen, am Frühstückstisch, entschuldigte ich mich für mein Verschwinden. Völlig unnötig: "Das ist doch ok. Ist ganz normal, dass man von der Party einfach verschwindet."

Meine Mutter erklärte mir irgendwann, dass sie mir mit diesem Namen, den ich trage, vor allem ein Leben in Ruhe wünschen wollte. Irgendwie befürchtete sie wohl, dass ich vielleicht rast- und ruhelos sein könnte. Ich habe allerdings den Verdacht, meine Mutter wollte mir damit signalisieren, dass ich meinen Mitmenschen bitte weniger Kummer bereiten sollte als ihr zu Beginn meines Lebens.

Ihr Wunsch hat sich erfüllt - noch ein bisschen ruhiger und ich wäre scheintot.


Links zum Thema:
Artikel "Revenge of the Introvert" auf Psychology Today
Artikel über persönliche Erfahrungen einer Introvertierten auf Rookiemag

Veranstaltungstipp: China-Filmtage München


Ich habe euch schon einmal meine nostalgischen Gefühle gegenüber alten Martial-Arts-Filmen kundgetan. Damals, als AsiatInnen in den Medien noch unsichtbarer waren (geht das überhaupt?), waren die Kung-Fu-Filme im Spätprogramm die letzte Rettung. Oft erzählten die Geschichten von einsamen Rebellen, von Robin Hoods und Underdogs, die sich gegen eine böse Übermacht zur Wehr setzten. Für mich als marginalisiertes asiatisches Kind im weißen Deutschland ein echter Trost.

Für alle, die sich für Martial-Arts-Filme interessieren, gerne auch einen wissenschaftlichen Diskurs hätten und obendrein gerade in München weilen, empfehle ich, mal bei den China-Filmtagen vorbeizugucken. Das Thema lautet:
"Martial Arts Filme sind Trash! Martial Arts Filme sind Kult! Was ist eigentlich Martial Arts? Ach, Bruce Lee ist schon tot?! Ein Genre – Viele Fragen und Meinungen."

Von 12. bis 16. Juni gibt es nicht nur alte Klassiker in Originalton mit deutschen Untertiteln zu sehen, sondern auch noch eine Vorpremiere von Wong Kar-Wais neuestem Werk "The Grandmaster". An verschiedenen Tagen gibt es begleitende Vorträge. Weitere Informationen findet ihr unter
http://chinafilmtage.wordpress.com/

Achja, um noch einmal mit Klischees aufzuräumen: Ich. kann. kein. Kung. Fu. In meinem Auslandsjahr in Norwegen habe ich es mal mit Wushu probiert, aber ich bin für Kampfsport einfach zu langsam. Taiji klappt da besser. Mich in Zeitlupe bewegen konnte ich schon immer gut.


Danke an Minimalismus21 für den Hinweis! Guckt doch auch mal auf ihrem Blog vorbei - der Name ist Programm: Es geht um Lebensentrümpelung, kritischen Konsum und ein einfacheres Dasein durch weniger materiellen Ballast.