Was man selbst tun kann für mehr Diversity

Mein Schwesterherz und ich verbrachten mal wieder ein Wochenende zusammen bei den Eltern. Das heißt, wir saßen jeweils an unseren Rechnern in einem Raum. Bis auf das Surren der Laptops und Klicken war nichts zu hören. Wir verplemperten zusammen getrennt unsere Zeit. Was Introvertierte eben tun.

"Weißt du was?" fragte mein Schwesterherz nach einer Weile. In ihrer Stimme vernahm ich einen Unterton, den ich zunächst nicht einordnen konnte.

"Nein, was?" fragte ich zurück.

"Bei meinen Grafik-Jobs bugsiere ich immer wieder mal AsiatInnen und Schwarze rein. Zum Beispiel letztes Mal in einem Video für [großes deutsches, auch international tätiges Unternehmen]."

"Aha? Hat da  sich jemals jemand beschwert?"

"Was? Nein. Die Frau von der Agentur fand das ziemlich gut. 'Wow, da sind sogar verschiedene Menschen zu sehen.' hat sie gesagt."

Meine Schwester kicherte schelmisch. Den Schalk im Nacken konnte ich förmlich sehen. Sie freute sich diebisch über ihren kleinen Streich sozialer Gerechtigkeit. Ich schmunzelte - anscheinend hatte mein ewiges "Rassismus ist scheiße"-Reden etwas gebracht. Auch wenn es nur im kleinen Rahmen war - sie tat etwas dafür, dass in Werbegrafiken und Illustrationen mehr als nur weißer Einheitsbrei zu sehen war.

"A small step for a man, a giant leap for mankind"

Rassismus und Diskriminierung aus einer Gesellschaft entfernen ist eine riesige Aufgabe, die ein einzelner Mensch nicht schultern kann. Was viele AktivistInnen und ich versuchen, ist nichts anderes als die Schaffung einer neuen Gesellschaftskultur. Eine riesige Aufgabe. Das öffnet der eigenen Überforderung Tür und Tor und brennt eine/n in Nullkommanichts aus. Ich kann als Bloggerin und Menschin nur so viel tun. Das sind Winzschritte, die jede/r vornimmt, und selbst diese sind schwierig. Aber darum geht es: Im Kleinen erst einmal etwas bewirken. Das Mikroklima verändern, Verbündete suchen und finden. Den eigenen Einfluss nutzen, und sei er noch so gering. Dann sehen wir weiter.

Nun arbeite ich seit Anfang des Jahres wieder als Angestellte in einem Unternehmen: Ich bin Texterin, und zwar die einzige in einem recht großen Laden. Mein tägliches Brot besteht darin, Stellenanzeigen zu verfassen, damit sie nicht nur gut klingen, sondern auch dem Antidiskriminierungsgesetz gerecht werden. Das legt allerdings nur das Minimum fest - "Ingenieur (m/w)" im Titel reicht da schon. Geschlechtergerecht ist das noch nicht wirklich.

Weil ich die einzige Texterin bin, ist es meine edle Pflicht und mein persönliches Vergnügen, noch entschiedener auf gendergerechte Sprache zu achten. Es sind die /-Zeichen, die den Unterschied machen. Und zwar nicht nur im Titel, sondern auch im Text. Das bisschen Macht, das mir kraft Einstellung gegeben wurde - ich nutze sie für gendergerechte Sprache, und niemand kann mich aufhalten. Radikal bin ich nicht, sondern eher pragmatisch: Bei Komposita setze ich meist auf die althergebrachte Form, etwa "Kundenbetreuung". Bei anderen Begriffen verwende ich die neutrale Form. Statt "Entwicklerteam" gibt es bei mir das "Entwicklungsteam". Perfekte Lösungen gibt es wie bei so vielen Dingen im Leben nicht und von diesem Anspruch habe ich mich im Arbeitsalltag gelöst. Aber was ich machen kann, tue ich.

Die Episode mit meiner Schwester ist noch nicht ganz zu Ende erzählt: Im Zimmer war wieder nur Surren und Klicken und Tastaturklackern zu hören. Ich freute mich im Stillen, dass mein Aktivismus in meinem unmittelbaren Umfeld Früchte trug. Neil Armstrong hatte schon recht mit seinem Satz vom kleinen Schritt für den einzelnen Menschen. Schwesterherz unterbrach meinen Gedankengang mit einem Nachsatz:

"Außerdem"  - sie tippte konzentriert - "außerdem fand ich es irgendwann langweilig, immer nur rosa Menschen zu zeichnen."

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