5 Gedanken, die ich als Gast auf meiner ersten Fashion Show hatte


Mode und ich, wir haben ein zwiespältiges Verhältnis. Ich interessiere mich für sie, aber eher für ihre praktischen Seiten, denn Kleidung tragen müssen wir in diesem Kulturkreis alle. Und wenn wir das schon tun müssen, können wir auch ein bisschen Spaß damit haben. Aber es ging niemals über Cape-Wintermantel und mehrfarbige Schuhe hinaus.

So richtig "Mode" im Sinne einer Kunstform ist das freilich nicht: Eine Fotogalerie zuhause erfüllt schließlich einen anderen Zweck als eine Fotogalerie in einem Museum - dort geht es um den Ausdruck von Ideen, Gefühlen und dem ominösen Zeitgeist, nicht um Gedächtnisstützen zum letzten Urlaub. Deshalb hat es mich besonders gefreut, dass Lillebror mich einlud, die Fashion-Show der Akademie für Mode und Design AMD anzusehen. Einfach mal Mode unter rein künstlerischen Aspekten betrachten. Unter dem Motto "next 15" durften die AbsolventInnen dieses Jahres ihre Abschlusskollektion zeigen. Das alles im Rahmen einer richtigen Fashion-Show, inklusive teurem Eintrittspreis, Sponsoring von Schumanns Bar sowie Aftershow-Party mit unglaublich hipper Elektromusik.

Eingeladen hatte mich mein kleiner Bruder übrigens deshalb, weil er als Model lief und jemanden brauchte, der Fotos von ihm schießen sollte. Was er nicht wusste: Ich bin die schlechteste Fotografin der Welt. Wie die Bilder in diesem Beitrag beweisen werden. Neben "wie bediene ich dieses Scheißteil" kamen mir einige Gedanken während meiner ersten Fashion Show.

1. Wo soll ich sitzen?
Eine strategisch bedeutende Frage. Da es nur jeweils eine Stuhlreihe auf beiden Seiten entlang  des Lauf"stegs" gab, war die Sitzplatzsuche eigentlich simpel. Nun schlängelte sich der Laufweg aber durch die gesamte Halle an der Praterinsel, schlug Haken und wand sich durch den Raum, dass ich nicht wusste, welcher Platz denn wirklich gut sein würde, um alles zu sehen. Ich entschied mich für einen Platz nah am Ausgang der Models, nach und nach herauskommen sollten. Das alles fühlte sich schon sehr high-fashion an, und für einen Moment konnte ich mir vorstellen, wie es wäre, Modebloggerin mit tausenden Instagram-FollowerInnen zu sein und für eine neue Handtasche ein überschwengliches Blogvertorial für einen Online-Shop zu verfassen. Mein Platz erwies sich auch deshalb als gut, weil etwas länger Zeit blieb, die Kollektionen eingehend zu betrachten. Die Show war extrem hart getaktet, weil ein Dutzend DesignerInnen ihre Stücke zeigen sollten und die Modenschau zweimal gezeigt wurde. Deshalb rannten die Models mehr als dass sie schwebten (sofern rennen in den Kostümen möglich war).




2. Black is the new Black. 
Mode ist ein Ausdruck von Zeigeist: Mode spricht Gefühle und Ideen aus, die in unserer Kultur bedeutsam sind oder werden. Oder die zumindest bei den AbsolventInnen der AMD bedeutsam sind. In einem Satz kann man das zusammenfassen als "schwarz ist das neue schwarz". Alle Kollektionen zusammen genommen waren in Nichtfarben und vereinzelten Naturtönen gehalten. Ernsthaft, oft reduziert, melancholisch, bisweilen verstörend - so ist er, der Modenachwachs. Wenn Kleidung ein Spiegel der kollektiven Seele ist, dann sieht es dort ziemlich düster aus. Von wegen Leichtigkeit und Glück der Jugend. Selbst in gewöhnlichen Kaufhäusern sind knallige Farben selten geworden. Wir sind alle mit dem Leben geschlagen. Willkommen im Existenzialismus des 21. Jahrhunderts.


AMD Next 15 - bitte einmal dieses Wollcape zum Mitnehmen, danke!

Hohes kommerzielles Potenzial.

3. Noch nie war so viel Vielfalt
Der Modezirkus ist für seinen latenten (und offenen) Rassismus weithin verschrien. Deshalb war ich besonders neugierig, wie "weiß" die Modelschar sein und wie häufig ich es mit kultureller Aneignung zu tun haben würde. Bei ersterem Punkt war ich angenehm überrascht: Es waren sicherlich ein knappes Dutzend Models of Color dabei, viele schwarze Models und zwei asiatische (zu denen mein Bruder gehörte). Das freute mich umso mehr, zumal diese Models nicht nur für die "ethnisch inspirierten" Kollektionen liefen.
Dieser Punkt bereitete mir während der Show Kopfzerbrechen und auch jetzt, knapp zwei Wochen nach der Show, bin ich zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen. Ist das schon kulturelle Aneignung, wenn man sich der Muster und Schnitte anderer Kulturen bedient, zu der man selbst nicht gehört? Muss man sich sozusagen auf seine eigene Kultur beschränken, sprich: Darf nur der/diejenige, der/die InsiderIn ist, diese Quelle anzapfen? Zumindest wurde die "afrikanisch inspirierte" Kollektion (ich kenne mich mit den verschiedenen Kulturen auf dem Kontinent zu wenig aus, sorry!) ausschließlich von schwarzen Models gezeigt - eindeutig die bessere Lösung, als weiße Damen in Pseudo-Stammeskleidung posieren zu lassen.

An diesem Outfit ist alles so verdammt cool.


4. Alle(s) so schön hier.
Fashion Shows sind ein bisschen wie ein Hollywood-Film: Alles sieht besser aus als in Wirklichkeit. Vielleicht war es der Cheerleader-Effekt, meinem Empfinden nach liefen auf diesem Laufsteg unfassbar schöne, meist sehr schlanke Menschen. Einen solchen Herd von physischer Symmetrie und Wohlgeformtheit habe ich noch nie so nah gesehen. In den Medien sicherlich, auch die Bilder der Models wirken nicht außergewöhnlich. Aber "sowas" direkt vor meiner Nase - das war seltsam. Nur wenige Models entsprachen nicht dem gängigen Schönheitsideal (wenige waren älter oder kleiner, niemand war dick). Ich kam mir vor wie in einer Blase, die Nicht-Wirklichkeit war. Im echten Leben sah ich vielleicht eine Person in einer Million, die körperlich schön, groß gewachsen und dünn war. Jetzt defilierten plötzlich zwei Dutzend dieser Menschen dort. Es war, wie den absoluten Jackpot der genetischen Lotterie zu sehen: Die schiere Masse war überwältigend und verstörend.

The Sound of Music hat angerufen. Sie wollen ihre Kostüme zurück.


5. So. Verdammt. Stolz.
Ich gebe es zu: Ein Model in der Familie zu haben, hat einen seltsamen Wert. Man wünscht sich, dass der Glanz und Glamour des modelnden Familienmitglieds auch auf einen selbst fällt. Oder zumindest die Coolness. Mir ist der Blödsinn und die Oberflächlichkeit des Gedankens wohl bewusst - als ob eine äußere Instanz die eigene Attraktivität bestätigen müsste. In der Art: Wenn das Brüderchen als attraktiv galt, dann konnte ich es  so schlecht nicht getroffen haben. Vielleicht war es einfach die große Schwester in mir, die stolz war - aber worauf? Dass der kleine Bruder sechs Richtige in der genetischen Lotterie hatte? Vielleicht. Dass er etwas tat, was ihm Anerkennung brachte und was ihm Spaß machte? Na klar. Dass sein Interesse an seltsamer Mode, ausgefallenen Ideen und seine androgyne Erscheinung hier ihren Platz fanden? Auf jeden Fall.
Mich hat es besonders gefreut, dass Lillebror beim Erstplatzierten Chen Jerusalem und bei der Zweiplatzierten Alice Huynh gelaufen ist. In beiden Kollektionen ging es um Herkunft, Identität, um Fremdsein. Genau mein Ding. Ich hoffe, noch ein Interview mit Alice Huynh zu bekommen, deren Kollektion "Fresh off the Boat" hieß und die auch vietnamesische Wurzeln hat. Stay tuned!


Thema war Identität. Zwangsjacke passt irgendwie dazu.

Fresh Off The Boat. Man bemerke leichte asiatische Anleihen.


PS: Falls jemand das Brüderchen buchen möchte, melde er/sie sich bei mir über die bekannte E-Mail-Adresse.

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2 Kommentar/e:

  1. wow ,tolle Fotos! Das letzt finde ich besonders Wow!

    Liebe Grüße :)

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    1. Äh, danke ^^' Ich fand die Bilder eher soso lala, aber es freut mich sehr, dass sie dir gefallen :)

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