Despicable Me. Als junge Asiatin unterwegs mit einem älteren Mann.

Duisburg. Ich hatte meinen besten Freund seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen. Seit er aus einem winzigen Kaff zwischen Ober- und Niederbayern weggezogen war, um sein Glück in seiner eigentlichen Heimat, dem Ruhrpott zu versuchen, hatten wir uns nicht mehr getroffen. Das war nichts Neues, wir sehen uns nie häufiger als einmal im Jahr. Physische Nähe wird überbewertet. Das braucht es nicht, damit sich zwei Menschen austauschen können. Nur Breitbandinternet.


Es war immer egal, dass er dreißig Jahre älter ist als ich. Auch damals, als ich noch ein Teenager war. Ich war im Kopf zu alt, er im Kopf zu jung. Irgendwie passte es, trotz dem Altersunterschied. Wir sind beste Freunde.


Es war kalt und regnerisch, als wir unterwegs waren. Der Weihnachtsmarkt hatte schon geöffnet und wir streunten ein bisschen zwischen den Buden hindurch an der großen Einkaufsstraße entlang. Es waren schon recht viele Leute unterwegs, obwohl es ein Wochentag war. Wir gingen nebeneinander, redeten, sahen uns die Buden an. Wir schnupperten an Räucherkerzen und Parfümölen und er erzählte mir, wie das so war, in den Siebzigern, als die Mädchen nach Sandelholz und Patchouli dufteten.

Dobbelstein - empfehlenswert für Torten- und Pralinenfans

entschuldigt den Pic-Spam. moving on..

Oma-Café Dobbelstein: So altmodisch, dass es fast wieder hip ist.

Ich bemerkte sie. Die Blicke. Das Mitleidige, das Abschätzige, das völlig Perplexe: Ein junger Typ mit der Basecap starrte uns mit offenem Mund an. Nicht, dass mich die Blicke gekümmert hätten. In den Augen der Leute sah ich einen Film ablaufen: Ein älterer Mann in Südostasien auf einer grell beleuchteten Amüsiermeile, wie er eine junge Frau anspricht: "Bist du allein hier?" Sie dann mitnimmt, erst auf sein Zimmer, dann nach Deutschland. "Dort hast du es besser - ich bin reich." Weil sie ja keine Wahl hat, wenn sie ein einigermaßen okayes Leben führen möchte. Weil die Leute doch so arm sind, da drüben, in Thailand. Oder Kambodscha. Oder den Philippinen.


Einen Tag später machten wir einen Abstecher nach Venlo, einem niederländischen Ort direkt an der Grenze, der von Deutschen gerne zum Kaffee-Shoppen besucht wird. Wir sprachen viel, er machte seine manchmal unerträglich schlechten Witze, ich besuchte jede einzelne Drogerie auf der Jagd nach Nagellacken. Irgendwann waren wir hungrig und müde vom Herumlaufen. Wir gingen in eine der größeren Pommesbuden am Ort. Von außen sah sie aus wie eine der typischen Touristenfallen.

Nicht die Touristenfalle, sondern die kleine, aber feine Sankt-Martins-Kirche. Entschuldigt die Bildqualität.

Es gab innen einige Sitzplätze, die wir gerne in Anspruch nahmen. Wir setzten uns und sprachen nicht viel, zu sehr waren wir mit unseren Pommes beschäftigt. Sie waren tatsächlich sagenhaft gut. Selten verwende ich das Wort perfekt, doch diese Fritten verdienten dieses Prädikat. Im Augenwinkel sah ich ein mittelaltes Ehepaar in den Laden kommen. Ziemlich sicher Deutsche. Sie setzten sich an einen Tisch schräg rechts von uns. Mein bester Freund konnte sie nicht sehen, sie saßen in seinem Rücken.

Nie wieder andere Fritten.

Ich dagegen konnte der Frau direkt ins Gesicht blicken. Sie guckte immer wieder zu uns hinüber, wandte sich fast angewidert an ihren Mann, tuschelte mit ihm, schüttelte den Kopf. Sie verheimlichte ihre Abscheu nicht einmal. Ich hörte sie deutlich "Einfach unmöglich!" ausrufen, ehe sich ihre Mimik entspannte und sie sich einem anderen Gesprächsthema widmete.

Ich weiß es.

Ich weiß genau, worüber sie sich so entrüstet hat.

In ihren Augen bin ich ein kleines Opfer.

Eine arme Asiatin, die von diesem älteren Typen aus ihrer Heimat "verschleppt" wurde und ihm die Hausfrau und Geliebte spielen muss Die Arme. Einfach unmöglich, dass die sich für den quasi prostituieren muss. Ekelhaft, diese Typen, die sich eine exotische Frau aus dem Katalog bestellen.

Und wenn es so gewesen wäre, wenn ich eine Katalogfrau gewesen wäre: Na und? Nur weil ich eine junge Asiatin bin, heißt das doch nicht, dass ich eine zarte Lotusblüte ohne eigenen Willen bin und gerettet werden muss. Vielleicht nutze ich den Typen genauso aus - vielleicht spiele ich ihm große Gefühle vor, bis ich eine uneingeschränkte Aufenthaltserlaubnis habe und mich von ihm scheiden lassen kann. Vielleicht, vielleicht...

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11 Kommentar/e:

  1. Ich glaube, mich würde das an deiner Stelle wahnsinnig aufregen und ich hätte mir nen KOmmentar nicht verkneifen können. Menno.

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    1. Manchmal würde ich mir wünschen, ich wäre aggressiver. So schüttele ich nur ungläubig den Kopf.

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  2. Ganz ehrlich, ich finde es als 20-jährige Asiatin auch ziemlich eigenartig, weshalb der beste Freund ausgerechnet ein 30 Jahre älterer Mann ist. Ich muss zugegeben, wenn mir die Umstände nicht klar gewesen wären, hättest du von mir auch ein paar schiefe Blicke bekommen...

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    1. Ich finds auch manchmal komisch, wenn ich darüber nachdenke. Aber wo die Freundschaft hinfällt. Bisher habe ich noch keinen Menschen getroffen, der mir ähnlicher ist in Denk- und Lebensweise.
      Das wissen natürlich die Leute nicht, die uns gesehen haben. Ich mache ihnen auch keinen Vorwurf, weil ich selbst sicher etwas ähnliches gedacht hätte.

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    2. Solange die Chemie zwischen euch stimmt kann es dir egal sein was andere über euch denken :) Außerdem geht es meiner Meinung nach nicht nur jungen
      Asiatinnen mit älteren Männern so, sondern jedes Paar wo der
      Altersunterschied einfach sehr
      groß ist, weil es einfach nur nach "Gold digger" schreit. Der Unterschied dabei ist, dass scheinbare Ausländerinnen einen schlechteren Ruf haben als ihre weißen Kolleginnen...
      Lg

      P.s. Letztens bin ich von einer Studienkollegin gefragt worden ob ich eher auf weiße oder asiatische Männer stehe... *facepalm*

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  3. 1. Nicht ärgern lassen. Eines meiner Lieblingszitate ist von Ángeles Mastretta: "Die Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau ist ein unverzeihliches Glück".
    2. Ich gebe zu, dass ich auch schon an Missbrauch und Ausbeutung gedacht habe, wenn ich mittelalte oder ältere Herren mit jungen asiatischen oder osteuropäischen Frauen gesehen habe. Sicherlich in den meisten Fällen ein falscher und dämlicher Gedanke...
    3. Das Bild mit den vielen Kaffeemühlen ist schön. Ich liebe Kaffeemühlen, habe aber selbst nur eine.

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    1. 1. Ein sehr schönes Zitat, muss ich mir merken - danke! :)
      2. Don't judge a book by its cover.
      3. Das Dobbelstein kann man als inoffizielles Kaffeemühlen-Museum bezeichnen. Das hat mir gut gefallen.

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  4. Owei... das Stereotyp der unterwürfigen asiatischen Frauen, die sich wunderbar als Sexkätzchen halten lassen und dann auch noch schön putzen....

    Die asiatischen Frauen die ich so kenne - und ganz besonders die, die nicht in Deutschland geboren sind - sind knallhart drauf! Die setzen sich gnadenlos durch, nur vielleicht anders verpackt und mit eisener Ausdauer. Ich nenne das "Stahlamboss mit Samt überzogen". Ich bin dagegen als 2. Generation-Deutsche ein Weichei. (Na gut, relativ gesehen).
    Das ein oder andere Mal wurde ich auch schon von alten, eher einfachen Männer angegafft, mit etwas sehnsuchtsvollem Blick. Ich muss da inzwischen drüber lachen - die würden sowas von ihr blaues Wunder erleben!

    Ich schau bei der Kombination älterer eher unattraktiver Mann und junge hübsche Asiatin auch 2mal hin. Kommt die Katalogfrau wirklich so oft vor? In meiner Beobachtung sind das sehr oft Paare, bei denen der deutsche Mann sich nicht so toll gehalten hat und die relativ gleichaltrige asiatische Frau im Vergleich viel jünger aussieht, haha.

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    1. Ich kenne eigentlich auch nur sehr selbstbewusste asiatische Frauen - so richtig verhuschte kenne ich hier gar nicht. Und der samtbezogene Stahlamboss ist ein gutes Bild ^^

      Ob die Katalogfrau so oft vorkommt, weiß ich gar nicht. Es ist halt ein Klischee.

      Es stimmt schon, dass asiatische Frauen nicht ganz so schnell sichtbar altern als jetzt ihre weißen Gegenstücke ;)

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  5. tja, da musst du durch. Ich bin blond, auf dem weg nach thailand sah ich alle diese männer im flugzeug noch naiv. Später sah ich sie in begleitung von jungen hübschen asiatinnen, die den männern nach dem mund redeten oder besser noch, einfach die klappe hielten, wie es für viele männer bequemer ist.
    Mich sahen die leute an, als hätte ich geld, weil weiß, langnasig und eben blond-
    Das war auch anstrengend und nicht eben förderlich für zwischenmenschliche kommunikation, die nichts mit geld zu tun hat.So habe ich mir asien angeschaut, noch dies und das land und immer war ich reduziert auf meine hautfarbe, auf die erfahrung, die asiaten mit vermeindlich reichen weißen menschen machen.
    Egal wie beschämend ich das verhalten der anderen fand.

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    1. So wie du dein Aussehen beschrieben hast, habe ich eher den Eindruck, dass du dich für etwas besseres hältst. Niemand hat hier
      nach deiner Haarfarbe oder sonstiges gefragt. Da wundert es mich nicht,
      dass die zwischenmenschliche
      Kommunikation nicht funktioniert hat
      wenn man anderen immer wieder
      bewusst, was für ein toller weißer Mensch du doch bist.

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