Vorbilder, Feindbilder und das Ich

Seit dieser Woche ist mein Blog Teil des Projekts BlogF - einem neuen Bloggerinnennetzwerk von Frauen für Frauen. Neben der Vernetzung der weiblichen Blogosphäre wird es in Zukunft auch eigene Beiträge dort geben. Die Macherinnen Sylvia und Marlies sind übrigens immer dankbar für weitere Bloggerinnen, die sich dort anschließen möchten.


In der Kurzbeschreibung der Bloggerinnen fragten Sylvia und Marlies unter anderem nach weiblichen Vorbildern. Die wenigsten nannten konkrete Personen. Auch ich nicht. Warum eigentlich nicht?

Vorbilder

Sylvia von BlogF hat sich darüber Gedanken gemacht und festgehalten, welche Bedeutung weibliche Vorbilder für Frauen haben (sollten) - sie verkörpern ganz konkret die Möglichkeiten und das Potenzial, das vielleicht darauf wartet, realisiert zu werden. Wir wissen natürlich, dass wir Pilotinnen, Ingenieurinnen oder Managerinnen werden könnten, aber eine real existierende Pilotin, Ingenieurin oder Managerin kennenzulernen, entfaltet eine ganz andere Zugkraft.

Vorbilder sind wichtig für die menschliche Entwicklung - wir lernen, indem wir andere nachahmen. Ganz zu Beginn sind das Mutter und/oder Vater oder andere Bezugspersonen. Von ihnen lernen wir sprechen, essen, gehen, also alles, was zum Mensch-Sein dazugehört. In diesem Fall sind Vorbilder vor allem etwas, das man kopiert. Sobald wir etwas älter werden, orientieren wir uns verstärkt nach außen - Medien, die Menschen in unserem Lebensumfeld spielen eine stärkere Rolle. Manchmal suchen wir auch in Büchern, Filmen oder Musik nach Rollenbildern, denen wir nacheifern können.  

Doch nicht alle Frauen, die zum Vorbild taugen, weil sie sich behauptet haben oder ganz besondere Dinge schufen, funktionieren für mich persönlich als Vorbild. Ich verspüre durchaus Respekt und Anerkennung für Frauen wie Marie Curie (Wissenschaftlerin) oder Beyoncé (Sängerin und Unternehmerin), doch nie hatte ich den Drang, ihnen nachzueifern.

Vorbilder inspirieren, also beseelen uns erst dann, wenn sie in uns eine Saite zum Klingen bringen, die schon da war, derer wir uns aber vielleicht nicht bewusst waren. Wenn diese Vorbilder sozusagen zu spielen beginnen, bewirkt das eine Resonanz - unsere Saite schwingt mit (das funktioniert bei Instrumenten tatsächlich). Unsere Vorbilder können uns so helfen, uns selbst zu entdecken und besser zu verstehen.

Feindbilder

Ähnlich den Vorbildern bringen manchmal auch Feindbilder unsere innere Saite zum Schwingen - aber auf ganz andere Art und Weise. Sie nerven uns, gehen uns auf den Geist, wir meiden sie und lehnen sie und ihr Verhalten ab. Auch sie tragen dazu bei, dass wir herausfinden, wer wir sind oder wer wir (nicht) sein wollen: Früher dachte ich immer, dass solche Menschen einfach irgendwo falsch lagen, wo ich richtig lag - eine jugendliche Hybris. Inzwischen weiß ich, dass sie einfach anders sind. Ihre Lebensmelodie ist eine völlig andere als meine, ist aber genauso stimmig in sich. Mein Weg ist nicht ihr Weg, Punkt.

Manchmal entwickeln sich andere Menschen zu Feindbildern, weil sie etwas verkörpern, was wir an uns immer ablehnen (obwohl wir es unbewusst vielleicht leben wollen). Ein klassisches Beispiel wäre der republikanische evangelikale Senator, der nach vorne Homosexuelle verdammt und hintenrum sich Callboys ins Büro bestellt (pun intended). Es lohnt sich immer, genau hinzusehen, warum manche Menschen uns durch ihr bloßes Dasein auf die Palme bringen. Möglicherweise halten sie uns einen Spiegel vor, in dem wir uns selbst erkennen und das sehen, was wir eigentlich nie wissen wollten.

Das Ich

Ich habe die letzten zwei Wochen immer wieder überlegt, wer zumindest in der Vergangenheit mir als Vorbild von weiblicher Seite diente. Und siehe da: Ich wurde fündig.

In den äußerst bunten Neunzigern liebte ich die Nickelodeon-Serie Clarissa (englisches Original: Clarissa explains it all). Ich mochte die Protagonistin - sie war zum einen weiblich (nach wie vor sehr selten in Sitcoms), klug, frech und aufsässig und hatte einen ziemlich ausgefallenen Klamottenstil. Gerade ihre Aufsässigkeit imponierten mir damals mit meinen zwölf Jahren, weil ich selbst immer ziemlich brav war.

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In den nicht mehr ganz so bunten Nuller Jahren fand ich Amélie aus "Le fabuleux destin d'Amélie Poulain" sehr faszinierend. Ich mochte ihre verspielte Art, wie sie ihre Fantasie dazu einsetzte, dem grauen Alltag zu entfliehen. Wahrscheinlich mochte ich Amélie deshalb, weil sie dem prosaischen Leben einen Zauber abgewinnen konnte und sich selbst einen Schubs gab, um glücklich zu werden.

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Und heute? Ich habe keine richtigen Vorbilder mehr. Aber das finde ich ok. Vorbilder sind wie die Noten einer Melodie: Solange wir unerfahren sind, spielen wir sie einfach nach. Dann interpretieren wir sie und geben ihnen unsere Färbung. Irgendwann schließlich werfen wir die Noten weg und spielen unsere eigene Melodie. 

Dennoch halte ich es für wichtig, dass Frauen in den unterschiedlichsten Rollen sichtbar werden und so als Vorbild dienen. Um noch einmal die musikalische Metapher zu bemühen: Wir alle brauchen eine ausreichend große Auswahl an Melodien und Noten, um die für uns richtige zu finden. Je mehr wir kennen lernen, desto vielfältiger werden wir selbst.

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CONVERSATION

3 Kommentar/e:

  1. Dass "Vorbilder" (und Feindbilder) oder generell: Orientierungspunkte, wichtig und hilfreich sind, ist glaube ich ziemlich klar. Aber was mich bei diesen Diskussionen immer ein bisschen stört ist das WEIBLICHE Vorbilder - denn teilweise ist das genau der Knackpunkt an dieser (feministischen) Debatte. Der Fokus wird so stark auf das Geschlecht geschoben, dabei kann man doch auch einfach MENSCHEN aufgrund ihrer Eigenschaften oder Einstellungen bewundern. Ist es wichtig, ob das ein Mann oder eine Frau, eine alte oder junge Person, welche sexuelle Orientierung diese Person hat?

    Die psychologischen Mechanismen dahinter sind sehr vielfältig und ich finde es ein bisschen zu einfach, die Vorbilder nach Geschlecht zu kategorisieren und mehr weibliche Vorbilder zu fordern. Denn genau das führt auch zu einer stereotypen Denkweise und fördert sogar noch die Unterscheidung der Geschlechter - auf der einen Seite wird Gleichstellung gefordert und auf der anderen Seite fordert man doch wieder eine unterschiedliche Betrachtung?

    Mir ist klar, dass das ein sehr komplexes Thema ist - aber das waren einfach so die wichtigsten Punkte, die mir gerade beim Lesen so aufgefallen sind. (Und Clarissa fand ich auch cool! Genauso wie Sabrina, diese Hexenserie...)

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    1. Ich weiß, was du meinst. Klar sollte es so sein, dass das Geschlecht des Vorbilds keine Rolle spielt - gerade für einen persönlich. Es gibt viele Menschen, die inspirierend und faszinierend sind und uns in irgendeiner Form weiterbringen können.

      Auf einer strukturellen Ebene muss man aber schon fragen, warum so wenig Frauen/als feminin gelesene Rollen zum Vorbild taugen. Ich denke, dass Frauen, egal, was sie tun, sichtbarer werden müssen - dadurch wird die Auswahl an möglichen weiblichen Vorbildern automatisch größer. Von der krampfhaften Suche nach ihnen würde ich auch eher absehen - dann konzentrier ich mich lieber auf mich selbst.

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    2. Das Problem ist einfach - gesellschaftlich gesehen - dass die Entwicklung der Frau in "sichtbaren" Rollen noch recht jung ist. D.h. Frauen, die einen Status als "Vorbilder" haben könnten, sind oftmals Besonderheiten in ihrem Beruf und widersprechen damit klassischen Geschlechtsstereotypen. Eine erfolgreiche Ingenieurin ist einfach sehr untypisch für Frauen und wird vor allem auch nicht mit den üblichen weiblichen Eigenschaften etc. in Verbindung gebracht. Das erschwert es Frauen mit einem klassischen Geschlechtsbild auch, diese Frau als Vorbild zu nehmen - sie ist zwar eine Frau, aber eben nicht so eine wie man selbst (siehe z.B. auch Angie).

      Andersherum werden Frauen, die brav dem klassischen Stereotyp folgen und damit "kompatibel" zu gesellschaftlichen Ansichten sind, eben nicht in ihren besonderen Rollen herausstechen und fallen somit als Vorbild kaum auf - wobei sie eben gut ins Selbstbild integriert werden können.

      Das wird sich sicherlich mit der Zeit ändern - aber Gesellschaften und vor allem Stereotype verändern sich sehr langsam.

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