Die Kinderfrage

Wenn Schwesterherz und ich auf Tanten und andere weibliche Verwandte treffen, kommen häufig die Fragen zur Familienplanung. Gerne bekommen wir auch ungefragt Verkupplungsversuche, schlecht getarnt als Besuchseinladungen: "Besucht uns doch mal! Vielleicht trefft ihr auch XY, der ist der Sohn/Neffe/Bekannte von Z, soundso alt, guter Job und auch noch Single!" - das alles begleitet mit vielsagendem Augenbrauenhochziehen. Meistens würdigen wir solche Angebote nicht einmal mit einer Antwort.

Manchmal bekommt auch meine Mutter diese Vorschläge und Ideen mitgeteilt, damit Schwesterherz und ich endlich mal "bemannt" werden. Sie wiegelt dann immer ab mit den Worten: "Das entscheiden die beiden schon selbst." Ich bin ihr jedes Mal dankbar, wenn sie sagt, dass sie nicht darauf besteht, Großmutter zu werden. Vermutlich hat das damit zu tun, dass sie selbst schon mit knapp 18 Jahren geheiratet hat und bald darauf ihr erstes Kind bekam. Aber man beeilt sich gerne damit, um nicht zum unfreiwilligen Arbeitsdienst für das Vaterland eingezogen zu werden...*

ich cruise allein durchs Leben.

Während ich mit Ende Zwanzig noch nicht einmal eine feste Beziehung vorweisen kann, war meine Mutter mit Anfang dreißig mit Kinderkriegen schon längst durch. Die Weltgeschichte hat ihr nicht immer gut mitgespielt, um es diplomatisch auszudrücken - sie hat ihren Kindern deshalb immer etwas besseres gewünscht: Mehr Reisen, mehr Bildung, mehr Freiheit - auch von elterlichen Pflichten. Das genoss und genieße ich nach wie vor.

Als ich am Wochenende wieder bei meinen Eltern war (meinem Vater geht es wieder gut, danke der besorgten Nachfragen seitens der LeserInnenschaft) kamen wir wieder am Frühstückstisch auf die Kinderfrage zu sprechen. Ich sagte zu meiner Mutter: "Ich bin schon Ende Zwanzig, vielleicht wird das auch gar nichts mehr mit Kindern bei mir - allein funkioniert das ja nicht." (Und wirklich wollen tu ich auch nicht.) Meine Mutter erwiderte darauf:
"Wenn wir in Vietnam wären und es darum ginge, das vietnamesische Volk aufrecht zu erhalten, wäre es wichtig, dass ihr Kinder bekommt. Aber wir sind ja hier in Deutschland und werden immer AusländerInnen sein - mit unseren schwarzen glatten Haaren, der kurzen Nase, der gelben Haut. Vielleicht gehören eure Nachfahren in sieben oder acht Generationen zu den Deutschen. Und wenn ihr bei den Deutschen einheiratet, vielleicht sogar schon in drei bis vier Generationen."
Als ob es unser Schicksal wäre, niemals dazuzugehören. Ich sprach mit Schwesterherz über die Angelegenheit - grundsätzlich teilt sie meine Einstellung zur Kinderfrage: Immer mit der Ruhe. Schließlich gibt es auch überhaupt keinen Grund, heute Kinder zu bekommen. Das letzte Mal als ich nachgeguckt habe, war die Menschheit keine vom Aussterben bedrohte Spezies. Und die Frauen heutzutage haben tatsächlich dank besserem Wissen und besserer medizinischer Versorgung die Freiheit, die Kinderfrage für sich mit Nein zu beantworten.

Eine Sache schickte mir Schwesterherz im Auftrag meiner Mutter noch auf den Weg:
"Mutter meint, dass es vielleicht besser wäre, wenn du keine Familie gründest. Du bist einfach zu kompliziert." 
Danke Mama. Ich hab dich auch lieb.


*Die unglaublich abenteuerliche Geschichte meiner Eltern erzähle ich vielleicht ein anderes Mal.

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