Interne Kommunikation

Im Rahmen einer guten Unternehmensführung spricht man häufig davon, wie wichtig die gute Kommunikation nach innen ist: Vorbildliche Betriebe kommunizieren offen und ehrlich mit ihren Angestellten, beteiligen sie am Diskurs und holen vielleicht auch ihren Rat ein. Schlechte Kommunikation ist, wenn der Laden, in dem man arbeitet, zumacht und man einen Monat vor dem Aus vor vollendete Tatsachen gestellt wird.

In dieser Hinsicht müsste meine Familie als schlechtes Beispiel gelten: Direkte Meinungsäußerungen kommen selten bis gar nicht vor. Stattdessen wurde bei uns etwas perfektioniert, was man als raffinierte interne indirekte Kommunikation bezeichnen könnte. Im Prinzip ist es wie eine zuverlässigere Form der Flüsterpost. Wenn meine Mutter beispielsweise findet, dass ich viel zu selten in die Provinz zu Besuch komme, dann teilt sie mir das nicht direkt am Telefon mit - das wäre ja viel zu einfach - sondern erzählt stattdessen Schwesterherz, dass ich ja schon mal wieder nach Hause kommen könnte. Schwesterherz wiederum teilt mir das bei Facebook- oder Skype-Chat mit. Oder wenn wir ganz wild sind, am Telefon. Streiten klappt dann zwar nicht mehr so gut, aber das ist ja vielleicht gewünscht.

In jüngeren Jahren fand ich das oft schrecklich - ich wollte offene Kommunikation, offene Konfrontation - wie bei den Deutschen. Irgendwann musste ich einsehen, dass das nicht viel bringt. Das Problem bei direkter Kommunikation ist nämlich, dass hier immer die Stärkeren gewinnen. Das waren oft genug meine Eltern. Leute, die leiser und langsamer reden und handeln geraten allzu leicht ins Hintertreffen. Außerdem erfolgt direkte Kommunikation oftmals dann, wenn sowieso alle höchst emotional sind - Streit, Derailing und fiese Angriffe sind da schon vorprogrammiert. Und das Problem, worum es eigentlich ging? Ist immer noch da. Nur will jetzt niemand mehr mit irgendjemandem reden.

Inzwischen habe ich mit unserer etwas merkwürdigen internen Kommunikation meinen Frieden gemacht, denn irgendwann reifte in mir die Erkenntnis, dass offen(siv)e Diskurse kein Allheilmittel sind. So viele meiner deutschen Bekannten und Freunde diskutieren in der Familie offener und konfliktfreudiger. Und so viele dieser deutschen Bekannten und Freunde haben Familienmitglieder, mit denen sie absolut nicht können.

Ob Konfuzius' Lehren aus dem Verhalten meiner Familie sprechen? Seine Ansichten prägen teilweise bis heute die Kultur (Ost-)Asiens. Konfuzius betonte immer wieder die Bedeutung des Kollektivs und dass das Individuum seinen Platz in der Hierarchie der Gesellschaft/der Familie kennen muss, damit alle ein gutes Leben haben. Das bedeutet natürlich, dass sich AsiatInnen sich etwas mehr zusammenreißen und die Zähne zusammenbeißen, anstatt ihre Meinung hinauszuposaunen und sofort einen Streit vom Zaun zu brechen. Man versucht einfach, sich gegenseitig nicht auf die Füße zu treten, auch wenn das den eigenen Bewegungsradius einschränkt.

Ich bin mir nicht sicher, ob meine Familienverhältnisse repräsentativ für andere asiatische Familien sind (eine Frage, die ich mir oft stelle: Sind andere AsiatInnen/VietnamesInnen auch so oder hat meine Familie einfach etwas merkwürdige Gewohnheiten?). Und indirekte Kommunikation hat auch ihre Schwächen - sie ist beispielsweise langsam und stark von der Qualität des Boten abhängig. Doch egal ob in Unternehmen, in asiatischen oder deutschen Familien: Was "gute" Kommunikation ist, ist auch eine Frage des Stils und der Kultur.


Gut, dass wir darüber geredet haben.

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CONVERSATION

5 Kommentar/e:

  1. Wobei sich mir als Leser die Frage stellt, inwieweit diese indirekte Kommunikation den Vermittelnden (hier also deine Schwester) belastet?

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    1. Oho, du hast gerade den 1000. Kommentar auf meinem Blog abgegeben - herzlichen Glückwunsch! Zu deiner Frage: Ja, du hast recht. Da meine Schwester bei meinen Eltern wohnt, kriegt sie vieles ab, was für sie meist nervig ist. Dann kriege ich wiederum sehr schnell von ihr die (sehr direkte) Ansage: "Klär das mal mit Ma und Pa, damit die mich nicht mehr nerven."

      Als wir alle jünger und noch zu Hause gewohnt haben, war das etwas anders. Indirekte Kommunikation hat eben auch ihre Schwächen.

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    2. Direkte Kommunikation kann aber doch nicht bedeuten, sich gegenseitig zu überschreien. Konfliktlösung bedeutet immer das Ringen u eine Lösung, mit der alle Beteiligten leben können. Wen alle das wollen, so kann das gelingen, allerdings geht das nur , wenn auch alle dazu bereit sind. Das muss man ohne Zweifel lernen, damit wird man nicht geboren. Es gibt aber immer die Möglichkeit, nein zu sagen, egal wie leise. Man muss nur einfach dabei bleiben, egal, wie der andere schreit. Der hört auch irgendwann wieder auf, das kann man doch leerlaufen lassen oder einfach gehen, wenn jemand sich nicht benehmen kann und auf entsprechende Aufforderungen nicht reagiert. Wenn er dann aufhört zu schreien, kann man die Diskussion ja fortsetzen. Man kann sich auch auf entsprechende Spielregeln einigen. Eigentlich gibt es die ja auch schon, Es halten sich nur wenige daran, zugegeben. Aber privat kann ich mir ja zum Glück die Menschen aussuchen, mit denen ich es zu tun haben möchte. Für mich gehören die Schreier nicht dazu. Die kann ich ganz gelassen stehen lassen, dann können sie die Wände anschreien.

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    3. Das Problem der offenen Kommunikation bei (ost)asiatischen Familien ist auch, dass Eltern immer (IMMER!!!) zu respektieren sind. Das wird einem schon von klein auf eingetrichtert. Das wiederum bedeutet leider auch, dass man seinen Eltern immer recht geben sollte. Da kommt man auch mit den logischsten Argumenten nicht weit, wenn die Eltern es nicht einsehen wollen (und dass treibt einen in den Wahnsinn). Wie du siehst kommt es bei offener Kommunikation oft zu einer Konfrontation der älteren mit der jüngeren Generation.

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    4. annna56, da hast du durchaus Recht. Aber damit verkennst du ein bisschen die Machtverhältnisse. Laut werden bedeutet gewissermaßen auch Gewalt und Macht auszuüben. Und dann sind wir schnell auch bei Diskussionen beim Recht des Stärkeren. Und in asiatischen Familien sind die Eltern immer die Stärkeren. Immer.
      Man kann dann natürlich gehen, klar. Das Problem ist dann aber weiterhin da und wird sich nie so lösen lassen.

      @Lily: Genau so ist es. Genau so kenne ich es. Genau so läuft es.

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