Theater, Rassismus und der ganze Rest

In Blogs, auf Facebook und auch auf den Spartenkanälen geht es hoch her. Der Grund: Auf der Bühne des Schlosspark Theaters in Berlin wird derzeit das Stück aufgeführt "Ich bin nicht Rappaport". Die Protagonisten darin sind ein weißer und ein schwarzer Mann.

Brisant dabei: Der Schwarze, Midge, wird gespielt von einem Weißen, angemalt mit dunkler Theaterschminke. Die Plakate hängen scheinbar überall in Berlin. Ich verlinke nicht, weil ich das nicht noch mehr pushen will. Google hilft euch da sicherlich gerne weiter.

Was mich in den Diskussionen rund um diese Aufführung verstört und enttäuscht hat, war, dass viele darin keinen Rassismus erkennen können oder wollen. Ich vermute, dass das für Menschen, die wortwörtlich am eigenen Leib nie Diskriminierung erfahren haben, das nicht so leicht nachvollziehen können.

Deshalb hier eine kleine Hilfestellung:

Historisch betrachtet steht die Aufführung in der Tradition des Blackface (Yellowface habe ich auch schon erwähnt), in der weiße Schauspieler stereotypische, grob beleidigende Karikaturen von Schwarzen darstellten, zur allgemeinen Unterhaltung des hellhäutigen Publikums - der Mainstream lacht über eine Minderheit von oben herab. Sich als Theatermacher in so eine Tradition einzuordnen ist nicht besonders klug und zeugt von wenig Sensibilisierung/Sensibilität und mangelndem Studium der Film- und Theaterwissenschaft. Theater muss sich gefallen lassen, auf unterschiedlichste Arten interpretiert und kontextualisiert zu werden.

Einige Argumentatoren führten an, dass die Darstellung des Schwarzen durch einen Weißen nicht rassistisch sei, da nicht rassistisch gemeint. Das mag sein, ist aber nicht der Punkt.
Zahlreiche Betroffene (also Menschen, die wirklich dunkle Haut haben) äußerten sich auf der Facebook-Seite des Theaters und auf Blogs, dass sie sich durch solche Praktiken beleidigt und gedemütigt fühlen. Und da sagt man den Leuten einfach: "Stellt euch nicht so an, wir meinen's doch nicht so"? Auch das zeugt von wenig Sensibilität und dazu noch dem Unwillen, die Gefühle anderer nachzuvollziehen. Und dass man so etwas früher schon gemacht hat, ist (bei allem Respekt) die dümmste Begründung. Früher durfte man auch Frauen offen sagen, dass sie zu dumm zum Studieren sind. Das macht es nicht richtiger.

Weiteres Argument: Der Kunstbetrieb sei doch über Rassismus erhaben, die Rolle werde mit dem Schauspieler besetzt, den der Regisseur für am besten für die Rolle geeignet halte. Und wenn das eben ein Weißer sei, sei das eben so. Es wäre genauso rassistisch, jemanden nur wegen seiner Hautfarbe für eine Rolle zu buchen. Ich sage: Fortschrittlich gedacht, aber man sollte bedenken:
Wenn ein Schauspieler die Rolle mit seiner Persönlichkeit und seinem Spiel füllen kann, wozu ihn schwarz anmalen? Wenn der Schauspieler so überzeugend ist, dann kann er die Rolle auch in natura spielen. Ich gehe sogar weiter, zu sagen: Klar, dann möchte ich auch einen weißen Othello, einen schwarzen Faust und ein gelbes Gretchen. Aber nur, wenn das echt gute Schauspieler sind. Und sie sich nicht künstlich einfärben müssen.

Und desweiteren: "Rasse" sei ein soziales Konstrukt, biologisch gesehen gebe es keine Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß (und Gelb). Demnach ist es Hose wie Jacke, wer da auf der Bühne steht.
Ja, Rasse gibt es im biologischen Sinn beim Menschen nicht. Rasse und die Unterscheidung in "gute" und "schlechte" Rassen (ergo Rassismus) sind ein soziales Konstrukt, aber das macht sie doch nicht weniger real. Vor allem nicht für diejenigen, die tagtäglich Erfahrungen damit machen, dass Hautfarbe und abweichendes Aussehen einen Unterschied machen. Manchmal den Unterschied zwischen Leben und Tod. Aus dem Merkmal "Hautfarbe" dann ein Theaterrequisit wie jedes andere zu machen, ist einfach unangemessen.

Was mich stört, ist, dass der Theaterbetrieb sich scheinbar die Hände nicht am wirklichen Leben schmutzig machen will. Vor allem das Schlosspark Theater, aber auch Teile der berichtenden Medien weigern sich hartnäckig, sich dem Diskurs zu öffnen. 
In einem Land, wo auch heute orientalisch aussehende Menschen ermordet und dunkelhäutige nicht in den Club gelassen (und auch ermordet) werden. Der Theaterbetrieb hält sich scheinbar für post-alles und avantgarde. Rasse ist einfach keine Kategorie mehr und Rassismus gibt es in ihren Kreisen nicht mehr. Klar. Ist ja auch nicht schwer, wenn alle lilienweiß sind, denn Schwarze und Asiaten, selbst Türkisch-Deutsche sind dort allenfalls in homöopathischen Dosen zu finden.

Anscheinend ist es leicht, pauschal "gegen Rassismus" zu sein. Was Rassismus genau ist, das wissen wohl die wenigsten.

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CONVERSATION

2 Kommentar/e:

  1. vielen dank für diesen kommentar. ich war ehrlich gesagt auch ziemlich sprachlos, als ich die plakate gesehen habe und kann auch nicht so richtig fassen, wie die diskussion darüber oftmals einfach abgetan wird.

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    1. Ich versuche in meinem Rahmen so gut es geht aufzuklären. Als ich zum ersten Mal davon las, war ich sprachlos, dass so etwas heutzutage wirklich noch passieren kann. Aber noch gebe ich die Hoffnung auf Besserung der Menschheit nicht auf...

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